Also ernäherte sich der Feind von Tag zu Tag gegen Freyburg, und war nun an dem, daß er Benfelden und Offenburg belägerte, da war nun kein bleibens mehr: Alles was je müglich war, wurd anderstwohin hinweggeführt, der Kürche Schatz über die 6 Tausend Gulden wurd gen Wettingen ins Schweizerland geführt, allwo er auch hernach an Schuldbezahlung gar verbliben, und zu Thennenbach nimmer gesehen worden; vil Gold und Silber Gschürr mußte auf die Kammer gen Breysach gelifert werden, mit Versprechung, daß es inskünfftig dem Werth nach wieder ersezt werden müsse; ja freylich, am St. Nimmerlins Tag. Ein ganzer Ruckkorb voll Silbergschürr ist zu Kenzingen umb ein Spott den Juden verkaufft worden; die Documenten seind den mehren Theil gen Breysach, ein Theil auch gen Fridenweiler auf den Schwarzwald und gen Wettingen geketscht worden. Desgleichen seind auch alle Mobilia, Hausrath, Betgewandt, Zingschürr, Kölchen ec. von Kiechlinspergen dahin (nemblich nacher Breysach) geflehnt worden; umb die Better zwar seindt wir alle kommen, aber an Zingschürr und Leinwant hab ich, über zehen Jhar hernach, von einem Prädicanten herauserzwungen.
Da nun der leidige Tag vorhanden, daß die Kinder vom Vatter, und der Vatter von den Kinderen musten abgerissen werden, und kein Theil wußte, ob es den Anderen sein Lebtag mehr sehen werde, hielt der Gndg. Herr noch ein Gastmal mit ihnen, als gleichsam wie Christus mit seinen Jüngeren das Abentmal gehalten, und ladete etliche bekandte Herren aus der Statt darzu, unter welchen auch der Weybischof (Doctor Thomas genannt) von Basel gewesen, welcher kurz zuvor von einer unbekanten Partey Reüter auff einer Rais ganz ausgeblindert und ihm kaum das Leben gelassen worden.
Dise traurige Ablezung hielten wir zwar den ganzen Tag bis lang in die Nacht hinein, mit der Musik und Saitenspilen (wie wir dann damalen den Ruhm mit der Musik im ganzen Land gehabt und ein eignen Componisten gehabt, Edmund Sagittari genandt). Aber morgens früe suspendimus organa nostra in silice (Unsere Harfen hingen wir an der Weide auf (Ps. 137, 2))und haben wir den Bilgerstab in die Hand genommen. Der Prälat fordert ein jedwederen absönderlich zu sich in sein Abbtey Stuben, sprach ihm mit liebliche, vätterliche Worten und Vergiessung viler heißer Träheren zu, daß er sich in allen Orten, wohin er komme, wohl und geistlich verhalten solle, wie wir dann getreulich seyen unterwisen worden; gab darauff jedem ein guten Zeerpfenning und sein Obedienzbrieff, und fiel jedem umb den Hals, gab ihm den letzten vätterlichen Kuß und Benediction. Und wer wolts nun beschreiben können, wie ein traurig Spectacul dis ware, von einem so getreuen, frommen und lieben geistlichen Vatter abgesöndert werden; gewiß ist es, daß mir mein Herz hett mögen verspringen, dann er mich als den Jüngsten allzeit zärtiglicher geliebt als andere, wie er mirs dann oft heimblich vor Anderen verborgner Weis erzeigt, welches doch sogar nit hatt können verborgen bleiben, daß ich nit von Anderen deßentwegen verhaßt bin gewesen. In summa ich ging in solcher Bitterkeit meines Herzen von ihm, daß ich gar kein Wort weder mit ihm, noch etwas anders reden noch valedicieren hab können.
Es ist aber die Austheilung der hinweg Raisendten also angestellt gewesen; P. Petrus der Doctor und Frater Bernardus Stolz zogen mit einander ins Niderlandt (Anm. Niederlande, Belgien und Holland.) ; P. Joannes Meyer und Fr. Nivardus Hag gen Stambs in Tyrol; Fr. Edmund Sagittari, Fr. Robert Eisenring und Fr. J. Conradus Burger gen Wettingen; Fr. Hugo und Fr. Benedictus Leuthin gen S. Urban; P. Joannes Schleher und der H. Prälat hielten sich ein zeitlang zu Klingnau auff; P. Gottfried zu Wunnenthal und Riegel incognito; P. Michael Riegger zu Breysach; P. Jacobus Bichweiler zu S. Urban, wo er auch gestorben; P. Martin Schmaus zu Günterstal.
Aber bald hernach gab es widerumb Mutationes: P. Joan. Schleher und P. Simon Weyer kamen gen Underwalden, versahen ein zeitlang Caplaneyen; Fr. Edmund und Hugo wurden in Frankreich ins Closter Firmitatis (Anm. La Ferté) geschickt. Ich Fr. Con. Burger gen Altenreiff ins Uechtland; übers Jhar aber hernach mit dem Fr. Benedict Leuthin ins Franckreich ins Closter Morimond (Anm. In der Diöcese Langres) allwo wir viler Ursachen willen nur acht Tag verbliben und dann wider hinweg gen Claravall (Anm. Clairvaux) gezogen, woselbsten ich ein halb Jhar verblieben; Fr. Benedict aber gen Populet in Catalonien (Anm. Gegend um Chalons) vagiert, aber gleich wider herauskommen und zu Underwalden sich ein Zeitland auffgehalten.
Damit aber den Nachkümblinen auch bewußt seye, wie unser erst Dimissorialschreiben gelautet habe, will ich den Inhalt auch daher sezen:
Universis et Singulis hasce Visuris, Lecturis, Audituris, Salutem.
Cum ea hostium nostrorum almae jam matri Ecclesiae apertissime insidiantium rabies et insolentia sit, ut non omnem religiose et quiete vivendi rationem interturbent tantum atque perturbent, sed quod dolendum est magis, etiam absque Synagogis nos faciant, et in terra aliena prorsus, desertis monasteriis, exulare cogant. Nos quibus cura incumbit ovium nostrarum, ne pereat vel unica ex eis, attendentes illud Christi: „Cum persecuti vos fuerint ex una civitate, in aliam fugite”: Dilectum hunc nostrum Religiosum Conradum Burger, monasterii Nostri B. M. V. de Porta Coeli, Ord. Cis. in districtu Constantiensi expresse professum ad tutiora amandandum loca censuimus. Rogamus itaque in Domino, et obsecramus omnes, ad quos pervenerit, et quorum opem enixe imploraverit, ut si quidem misericordiam et ipsi consequi velint, miseracordies se illi ac benevolos exhibeant; scientes, quod uni factum fuerit ex minimis istis, factum Christo, a quo et centuplum recipietis, et Nos Nostrosque aeternum Vobis devincietis.
Datum Friburgi in Curia Nostra Thennenbacensi a. 1632.
Nachdem ich dann ein viertel Jhar lang zu Wettingen gewesen, und die Exulanten sich täglich daselbsten von allen Orten her in großer Zahl vermehrteten, dann allein von Salmenschweil 16 zumalen dorten gewesen, item 2 von Neuenburg, 2 von Eberbach, 2 von Schönthal, 2 von Brombach, etliche von Lücell ec., war mein H. Prälat gezwungen, etliche von dannen anderstwohin zu transferieren, von welchen auch ich einer gewesen, und mußte nach der unschuldigen Kindlin Tag in dem rauesten Winter nacher Altenreiff ins Uechtlandt ziehen.
Auff diser Rais begegnete es mir, daß ich beynahe ermördet wäre worden; dann als ich durch die Statt Bern gangen, gieng mir ein starker Strolch vor, und als ich zimblich weit von der Statt kommen, vertheilte sich der Weg in zwen Theil auff die recht und linck Handt. Gegen der recht Handt war ein großer Eichwald und ein gebahnter Fahrweg, gegen der lincken Handt aber war er nit fast gebahnt, dann es war ein tieffer Schnee; da wußte ich nit, wo aus und an. Dieweilen aber der Strolch etwan ein Musqueten Schuß weit von mir dem Wald zu ging, und zwar nur alsgmächlich, schrie ich ihm zu, welches der Weg gen Freyburg im Uechtlandt were? Schreit er hingegen, ich müeß ihm nachfolgen. Ich verargwohnte nichts Böses, folgte als ein Lämblin einem Wolffen nach; da ich nun zimlich im Wald und nun mehr nahe beym Strolchen war, siehe, da reitet sporenstreich ein Herr hinder mir daher und sagt: Herr, ihr geht nit recht, ihr komt da in ein grossen wilden Wald; das ist nur ein Fahrstraß ins Holz, ihr müest widerumb zuruck. Ich antwort undt sag, diser Mann hatt mich daher gewisen; da erzürnte sich der Herr und sagt, du leichtfertiger Mörder, du hast disen Herrn ermörden wöllen; ich hett ein Lust dich da auff dem Plaz nieder zu schißen. Der Schelm schwig stockstill und gieng auff ein Seiten; ich aber folgte dem Herrn widerumb zuruck nach, und er verlies mich nit bis gen Freyburg im Uechtlandt. Hett mich da Gott nit gnädig also erhalten, wer ich ohnfehlbar ermördet worden, wie dann auch andere mehr Geistliche zu selbiger Zeit im Berner Gebüet ermördet seind worden.
Also kam ich, Gottlob, glücklich gen Altenreiff; ist ein schön wohl reformiert Closter, und enthalten sich vom Flaischessen, ligt zwo Stundt ob Freyburg im Uechtlandt; daselbsten ward ich gern und freündlich auffgenommen, und blib bey ihnen bis auff den Advent; alsdan kamb der Frater Benedict Leuthin, und bracht mir ein Brieff und Obedienzbefehl, daß ich mit ihm ins Franckreich gen Morimond solle.