Capitel 2. Von Anfang unsers ersten Exilli, wie nemblich die Schwedische Unruhen angefangen.

Nach dem a. 1631 der grausame Tyrann König in Schweden Gustavus Adolphus ins Römische Reich mit großer Macht feindlich eingefallen, kamen etliche Vorbotten; nemblich vertriebene Patres und allerley Ordensgeistliche von underschidlichen Ländern auff Thennenbach zu; und erstlich drey Patres von Eberbach in weltlichen Kleidern; welche nit genugsam von den grausamen Tyranneyen gegen die Geistlichen haben erzellen können. Dise drey sind aus Mitleiden zu Thennenbach für eine zeitlang auffgenommen und mit dem geistlichen Habit wider gekleidet worden, und seind also bey uns verbliben, bis wir auch selbsten haben fliehen müssen, ungefehr ein halb Jhar lang.

Bald darauf kamen wider drey Patres aus dem Frankenland vom Closter Schönthal, begerten auch auffgenommen zu werden; dieweilen aber das Ansehen (Anm. Gemeint: das Ansehen, Meinung) je länger je mehr erwachsen, daß wir selbsten von dem Unserigen weichen müssen, seind sie anderwerts abgewisen worden.

Nach solchen kamen auch zweh Patres Benedictiner von Ochsenhausen aus dem Schwabenland, seind 14 Tag bei uns bliben und wider weiteres geflohen. Endlich kam auch der Prälat von Neuenburg oder Hagenau, blib bey uns ein halb Jhar lang, aber zu Freyburg in unserem Thennenbachischem Hoff, wohin auch das ganze Convent aus dem Closter schon geflohen ware.

Nach verflossenem halben Jhar hatte es ein Ansehen, als wurde es im Elsaß noch kein sogar grosse Gfahr haben, darumb zog der Prälat wider gen Hagenau in sein Hoff; dieweilen aber bald darnach wider Völker umb Hagenau ankamen, und unweit der Stadt vorüber zogen, gieng der Prälat hinauff unter das Tach, und wolt dem Volk zu einem Tagloch aus zuschauen; dieweilen er aber nur auf einem Trohm (Anm. Balken) stundt, trat er unvorsichtig darneben, und schoß aufs Hirn hinab und war todt. Diser Prälat hieß mit Namen Adolphus.

Da nun die Gfahren je länger je grösser wurden, also daß wir auch zu förchten hatten, daß uns die Margräfer stündtlich überfallen und alle erwürgen möchten; da einsmals ölf hundert umb Mitternacht hart am Closter vorbey marschierten (da wir alle in der Mettin waren), welche der Margraff ins Wirtemberger Land den Schweden zu Hilff geschickt, wurd also für nothwendig erkent, daß das ganze Convent mit Sack und Pack gen Freyburg in die Flucht sich begebte; welches dann auch gleich noch vor der Aerendt a. 1632 geschehen. Ein einiger Pater und der Schreiber (Conrad Rötelin geheißen) bliben noch im Closter; aber der Schreiber wurde bald nachher gefangen und übel und tractiert hinweg geführt.

Es ist zwar vil Wein und Früchten gen Freyburg in Hoff geführt worden, aber doch seind vil hundert Saum Wein und Viertel Früchten im Closter Thennenbach, zu Mundingen im Hoff, zu Balingen im Hoff, und zu Kiechlinspergen dahinden bliben, und dem Feind zu Theil worden, dieweil sie nirgendhin geflehnt oder verkauft konten werden.

Die Documenta und andere Mobilia seind nachher Breysach (welches damalen noch Oesterreichisch war) geflehnt worden; aber zu Thennenbach war die ganz Bibliothek noch dahinden bliben, und vil briffliche Sachen, welches dann dem Prälaten ein solcher Kommer war, daß er ohne Underlaß sich dessentwegen beklagte und offt sagte: o wer nur ein Christenmensch, der sich dahin wagte und das Loch zumauerte des Orts, worin die Bibliothek verborgen ligt. Dann aus vilfeltigem Strudel ward es vergessen, und seind auch die gemelte Brieff dahinden gebliben. Dieweilen dann Niemand war unter Allen, dann weilen die feindtliche Parteye bis für Freyburg kam, die Leuth und die Vihe hinweg triben und die Stattthör versperrt bliben, der wollt hinauswagen, wurd ich endtlich, ohne Zweifel aus Antrib Gottes bewegt, daß ich zum Prälaten gesagt: wann dann Niemand sich wölle hinaus wagen ins Closter, wöll ich, wann er mir sein Benediction geb, mich in der Ghorsame mit einem Buben hinauswagen, und Alles nach seinem Willen verrichten; worüber er sich zwar hoch gestuzt, doch gleich sein Willen darein gegeben, und bin ich nach empfangener Benediction am Nachmittag gleich fortgangen. Obwohlen es Jederman für ein Frechheit mir ausgelegt, dessen allen ungeachtet gieng ich fort, ließ mir das Stattthor auffmachen, und gselten sich etliche Margräfer Leuth zu mir, in Meinung, mit mir sicher nach Sexau zu kommen. Aber sobald ich kaum zwehn Musqueten Schuß weit von der Statt auff die erst Matten beim Bildstöcklin kam, da fand ich den Thennen-bachischen Closter Müller unter einer Hecken nur im Hembd halber todt sitzen und kölschblau geschlagen, welches ihm erst frisch von einer feindlichen Partey geschehen war. Diser sagte zwar zu mir: ich soll mich nit wagen, die Partey sei gar nit weit, sunder halte sich nur in den nechsten Boschen auff, worauff die Margräfer wider von mir zurück gangen. Ich aber gieng im Namen Gottes fort und traff kein Menschen an, außer ein halb todt Weib zu Wingenreiten, welches ein Stücklin Eychlen Brot in der Hand hatte und mir auch ein wenig darvon gegeben. Also kamb ich glücklich ins Closter und fand Niemand darin als ein einzigs Weib, die lang Maria genannt, unseres gewesenen Rebmanns Dochter, welche sich noch mit dürrem Obst erhielt.

Sobald ich nun ein wenig verschnauffet, macht ich ein Mörtel an, und vermauerte das Loch, wo die Bibliotek verborgen war, nemblich in einem rauchigem Kämmerlin in der Mülin, und verwarffs mit Rueß, daß es der andern Mauren ganz gleich wurd, als welche auch ruessig war. Und ist dise Bibliotek hernach also verborgen bliben bis Hochburg blockquiert worden, da als dann eine ganze Companey Brabanter eine lange Zeit im Kloster gelegen, und Alles durchsucht und durchgraben haben. Endlich ist auch die Bibliotek gefunden worden, aber doch nit bey dem Loch, welches ich zugemauert hatte, sunder sie haben oberhalb die Bine auffgebrochen und habens also gefunden. Dadurch also seind die schönste und beste Bücher zwar nit von den Braban-tern, sunder von den Margräfischen Bauren hinweg gestohlen, und hin und her in der Margraffschafft verkaufft worden, wie dann ich selbsten sahe, nachdem ich nach zehn Jharen wider der Erste aus dem Exilio haimbkommen und aus Mangel an Lebens Mitlen zu Thennenbach noch nit wohnen kondte. Sunder weilen damalen eben der Pfarrer zu Elzach gestorben und selbiger Zeit keine weltliche Priester zu bekommen waren, bin ich von Herren Probsten zu Waldkürch ersucht worden, daß ich die Pfarr daselbsten ein zeitlang versehen solt. Daselbsten ankommen und des verstorbenen Pfarrers Bücher durchschaute, hab ich gleich unter anderen auch das Menologium Ordinis und den Raderum de coelesti Hierarchia gefunden, welche ich wider von des Pfarrers seelig Muetter abgelöst, und zu meinen Händen genommen.

Aber ich fahr wider fort wo ichs verlassen hab. Da ich nun Alles verrichtet, was meins gnädigen Herren Wunsch und Willen gewesen, und ich noch 13 schöne Karpffen in der Roßwete (Anm. Roßschwemme) ersehen, namb ich sie bis an einen, den ich mir kochen ließ, in einem Ruckkorb3 (welchen der Bub mit sich getragen) mit mir und kamb darmit, mit sampt den Brieffen, ohn einige Gfahr gen Freyburg, worüber sich dann auch Jedermann hefftig verwundert, und der Prälat sich hoch erfreut.

Nit lang nach disem, als wir im Thennenbachischem Hoff zu Freyburg am Brennholz ganz und gar auskommen, dieweilen kein Scheütlin in der Stadt zu kauffen, zu bekommen war, dann die Thor allzeit beschlossen bliben, und Niemand hinaus getraute wegen der täglichen feindlichen Parteyen; endtlich sagte der gnädig Herr: Er were gezwungen etwar mit der Ochsen Fuhr hinaus in unser Wäldelin (welches wir bey Umbkirch haben) zu schicken, ein Wagen mit Holz zu holen. Dieweilen aber kein Knecht hinaus wolte, es were dann ein Geistlicher vom Convent bei ihme, hielte der Prälat wider eine Umbfrag, welcher das Herz fassen und sich mit den Knechten hinaus wagen wölle? Es erfolgte sich auf dise Umbfrag ein gänzliches Stillschweigen, keiner wolt sagen: paratum cor meum Domine. Aber der Prälat war damit nit zufriden und nit beholffen, wolt einmal ein gwisse Resolution von Jedem haben; worauff ein Jeder geantwortet, er habe kein Lust. Da es endtlich an mich kam, sagte ich, in der Ghorsame wöll ich hingehn, wohin man wölle. Darauff ist der Beschluß ergangen, ich müsse mit der Fuhr, ich soll mich fertig machen. Es war aber ein großer Regen Tag und ich hatte nur schlechte dünne Kleidlin, darumb begerte ich von etwar ein Regenmantel, aber Niemand wolt einen hergeben mit dem Vorwandt, er möchte darumb kommen, wer ihm ein anderen ersezen wolte? Da hab ich solches dem Gnd. Herren geklagt und gesagt: Ich wöll ja Leib und Leben wagen, warumb Niemand sein Mantel wöll wagen? Darauff er eimm bey der Ghorsame gebotten, daß er den seine hergeben soll (war der P. Hugo Buchstetter). Als es ungern geschehen, zog ich im Namen Gottes und der Ghorsame fort, ließ mir das Thor auffmachen, dessen sich alle verwundert, sunderlich dieweilen ich die vier aller beste Mastochsen mit mir am Wagen hatte. Jederman wer mich sahe hinausfahren, sagte: fahr nur hin, es ist nit gwiß, daß du widrumb herein kommen werdest.

Desse alles ungeachtet fuhr ich in allem Regen fort, nemblich zwo Stundt weit bis ins Wäldelin ohne Gfahr; demnach aber der Wagen geladen, saß ich auff das Holz hinauff und gedacht an kein Gfahr. Sobald wir aber für das Holz hinaus kamen, und gegen der Straß auff einer Wisen fuhren, ersahe ich ungefer auf dem Wagen in der Höhe sizend, vil Hüet in der Gassen, welche, uns zum Glück daselbst herumb mit dicken Hecken eingefangen war, also daß man nit leichtlich dardurch sehen kondt. Ich ließ den Knecht gschwind still halten, und bewegteten uns nit, dan wir waren nit vil über ein Stainwurf von ihnen. Da es nun ganz still wurde, und ich nicht zweifelte, es müsse eine feindliche Partey sein, schlich ich hinaus zu sehen, ob noch etwar umb den Weg were, und da ich Niemand inne wurd, sunder nur die Spur viler Pferdten sahe, hies ich den Knecht in Gottes Namen fortfahren, dann ich sagte: wir weren jetzundt zum sichersten, dieweilen die Partey von uns weiche, und so gar gschwind nit wider zuruck kommen werde. Wir kamen nit gar gen Lehen ins Dorff, da gab man schon auf der Burghalden mit zwo Schlangen ein Losung – Schuß; sobald ich ins dorff Lehen kommen, ersahe ich einen Bauren, welcher eben wider herfür geschlupfft, da sie alle sich verborgen hatten so guet sie geköndt; disen fragte ich, was das für Volck gewesen und wo sie hinaus seyen? Er antwortet: es waren bey zweyhundert Reüter, die seyen auf die Viheweyd, ohne Zweifel das Freyburger Vihe wegzunemmen. Da ich solches hörte, eilte ich Freyburg zu, und kam mit der Fuhr glücklich an.