Capitel 17. Wie Freyburg von den Kaiserischen belägert und eingenommen worden.

In disem Jhar 1644 im Junio ist Freyburg von den Kaiserischen und Bayerischen mit 18 Tausent Man belägert worden; die zwen Generalen waren Johann de Werth und General Mercy. Die Belägerung wehrte 6 Wochen, und hatt nit vil gefählt, sie hetten mit Spott und unerschätzlichen Schaden wider gar abziehen müessen, oder weren darvon hinweg geschlagen worden. Dan eben ein Tag darnach, nachdem es mit Accord ist an die Kaiserische übergangen, ist der Duc d´ Enghien (welcher ietziger Zeit in disem 1674er Jhar Prinz de Condé genennt wird) mit etlich Tausent zum General de Türenne (welcher die ganze Zeit der Belägerung nit weit von Ebringen auf einem Rebberg mit etwan 15 Tausent starck verschantzt gelegen) gestoßen, also daß sie über die 30 Tausent starck worden, und schnurr grad auf die Kaiserische (welche noch umb Freiburg in ihren Schantzen gelegen) mit grausamer Furi losgegangen, und gleich etliche Regiment ruiniert, also daß der mehren Theil der Armee sich in das Kirchzarter Thal, und so fort gen Villingen in die Flucht gegeben. Jedoch haben sich die zween General Johann de Werth und Mercy mit etwan zwey oder drey Regimenteren Reitter und Tragoneren auf den Güntersthaler Rebberg reteriert, Brustwehren aufge-worffen und sich dermaßen gegen den Feind, der über die 30000 starck mit unerhörter Furi auf sie getroffen, gewehrt, daß über die achttausend auf der Wahlstatt gebliben, und entlich ablassen müessen zu schlagen. Welche zwar darnach von dem Rebberg hinweg, und auf Lehen zurück mit der ganzen Armee, und dan weiters bis gen Langendentzlingen gezogen, und nur übernacht gelägert; am anderen Tag aber morgens früe durch das Gloterthal ein hohen, gähen Berg hinauf gezogen, und sich gegen St. Peter gewendt, allwo selbige Nacht die zwen Generalen Johann de Werth und Mercy mit ihren 3 Regimenteren übernacht gewesen; und wan nit der Prälat morgens früe hinaus aufs Feldt spatzieren gangen were sein Mettin zu betten, weren sie vom Feind unvermerckt überfallen oder gefangen, oder alle nidergemacht worden. Dieweilen aber der Prälat den Feind von weitem herzu hatt eylen sehen, ist er gesprungs ins Closter geeylt, hatts den zwen Generalen angezeigt, welche noch auf den Bäncken geschlafen, sich keins Feinds besorgt. Worauf sie eylfertig das Volck in die Postur gestellt und widerumb dermaßen Widerstand gethan, daß Beederseits über die 400 gebliben. Endtlich seind die Kaiserische in vortelhaftige Ort geraten, also daß der Feind hat müessen nachlassen, und weilen vil Bagage, Kutschen, und zwey Stuck dahinden waren, seind sie zumalen in des Feinds Hendt kommen. Nachdem da nun der Feind sich widerumb zurück nach Langendentzlingen gezogen, hat der gewesene Commandant in Freyburg Kanoffski aus Neyd das Gottshaus St. Peter verbrennt, nachdem ers ausgeplindert hatt. Wohin sich nun der Prälat in disem Scharmützel salviert gehabt, ist mir nit zu wissen worden, aufs wenigst ist er nit gefangen worden. – Het sich der Feind wider gegen Freyburg gewendt gehabt, het ers in 2 oder 3 Tagen unfehlbar wider gehabt, dan es seind nur krancke und verwundte Soldaten darin gelegen, und zwar nit über 300, und ist die Burgerschaft für sich selbst ganz bestürtzt gewesen. In disem Treffen ist des General Mercy Bruder gebliben, der sich wie ein Held soll gehalten haben.

Nach disem Verlauff kam die Last aller Gfahren wider über uns zu Wunnenthal; dan der Feind schickte noch denselben Tag zweytausend Reiter herab zu Kentzingen, unwissendt aller Menschen; die halben waren Franzosen und die halben Teutschen Weimarische, und dise kamen erst in der Nacht, da jederman schon in den Betteren lagen. Gählings gab es ein grausam Gschrey in der ganzen Statt, die Menschen, die Roß, die Hünd, die Schwein schrien Alles zusamen, als wan Alles ermördet wurde; in allen Gassen waren Feur und Facklen; wir kondtens im Closter Alles hören, und auch daß die ganze Statt hell war von Feüeren. Wir hatten damalen kein Salvaguardi, sunder es waren 3 oder 4 Bauren bey uns, und da sie das Gschrey in der Statt hörten, förchteten sie, es möchte auch ein starcke Partey zu uns ins Closter kommen. Stigen derohalben über die Mauren hinderm Closter hinaus und verbargen sich in die Gräben bis am Morgen. Da war ich wider ganz allein ein Mannsperson im Closter; ich bin begirig gewesen zu wissen, was doch für Volck in der Statt were, ob es Kaiserische oder Französische weren, dan wir wusten noch nit, wie es zu Freyburg abgeloffen ware. Darumb legte ich meine weltliche Kleydung an, setzte ein baurenweiber Hüetlin auf, gieng ganz allein hinein bis auf die Bruck; es war aber stockfinster; die beyd Statthor stuenden mangel offen. Ein Schiltwacht stuend mit einem brennendten Lunten gegen mir hinüber, allenthalben lieffen Soldaten mit Facklen in den Gassen herumb. Da ichs nun wohl recognosciert hatte und vermerckt, daß wir selbige Nacht kein Gfahr haben würden, gieng ich wider heimb und hieß alle schlaffen gehen, bis an zwo Closterfrauen, die auf der oberen Bihne der Abbtey Wacht halten sollen, ob nit etwan Etwar mit Facklen oder Liechteren über die Brucken gange; wan es geschehen solle, soll man mich geschwindt avisieren, dan ich gieng auch wider in die Ruh.

Dieweilen wir aber die ganze Nacht guete Ruh hatten, schickte ich gleich Morgens umb 8 Uhr zwo Closterfrauen hinein zu dem, welche der fürnembste war im Commandieren. Der lag in des Juncker Bapsts seel. Haus, daß sie ein Salvaguardi begehrten, welchen sie auch erhalten, nemblich ein Reiter, der umb sein Pferdt und Mundierung kommen war. Diser war ein Teutscher, erzeigte sich anfänglich freundtlich und getreu wollen zu sein; aber sein Schalckheit war bald vermerckt, dan er lausterte alle Wincklin im Closter aus, und henckte gleich etliche andere Reiter an sich, die hier im Closter ihn heimbsuchten, obwohlen wir ihnen kein Wein oder Brot gaben, dan wir selbsten höchste Noth in Allem litten, so machten sie doch ein heimblichen Anschlag, daß sie das Closter rein ausplindern wollen, wie sie es dan augenscheinlich ins Werck haben richten wöllen, wie hernach folgen wird.

Sobald nun diser Reiter bey uns war und der Commandirer übers Volck in Kentzingen sich ein wenig verschnauffet, befahl er gleich der Statt mit Bedrohung und Verderbung etlich Tausent Commisbrot zu backen. Dieweilen sie aber die Unmügligkeit vorwandten, wolte er auch das Gottshaus (ohne Zweifel auf Anstifftung) darzu zihen. Schickte derohalben, es soll Etwar vom Closter hineinkommen, den Befehl zu vernemmen; und weilen Niemandt war als ich, mueste ich abermalen den Strigel ziehen. Ging derohalben hinein und vernahm alsogleich, daß man in der Eyl etlich Viertel Früchten zum Commisbrot hergeben solle, wo nit, so wöll er exequieren lassen. Ich antwort, diß sey absolut ein Unmüglikkeit, dan wir nit wohl ein Viertel Frucht mehr haben, und daß die Closterfrauen hin und her die Frucht bettlen müessen. Da dreute er alles Böses, dan er war ein Lutheraner. Ich gieng darvon, ließ ihn wühten; und weil ich schon Lust hatte, daß der französische Commandierer über den anderen halben Theil des Volcks und noch über disen seye, bin ich stracks zu ihm gangen, hab ihm unsere Noth und Beschaffenheit erzehlt. Er hatte sein Quatier in dem Haus, wo ietzund der Löwenwirth inwohnt. Er hörte mich freündtlich an. Er kondt weder teutsch noch latein, sunder ich mueste es französisch vorbringen so gut ich kondt. Da er nun die Sach vernommen, fragt er, warumb wir ihn nit zum ersten für Schirmherren genommen, sunder disen Ketzer, er hett mir besser Schirm können halten. Ich antwort, ich hab nit gwist, daß auch französisch Volck hie lige, ich wolt sunst wohl liber zu ihm kommen sein um ein Salvaguardi, dan die Franzosen haben uns noch nie einigen Schaden geschehen lassen; es sey auch der König in Franckreich unseres Ordens Protector. Er sagt darauf, er wöll mit mir hingehen zum Anderen, und wöll ihm ansagen, daß er uns unmolestiert lasse, wie dan auch gethan. Worauf der Ander sein Salvaguardi mit Zorn wider hinweg genommen; und hett uns Gott nit widerumb wunderbarlich Vorsehung gethan, dorffte es uns wohl übel ergangen sein. Dan den anderen Tag muesten die in der Statt wider gählings hinweg gen Waldkirch, und kam hingegen die ganze französische und weimarische Armee von Dentzlingen herab. Etwan zwo Stund zuvor, ehe die Armee ankommen, kam ein Capitain von der Armee fürs Closter, trug sein Fuß hangendt auf dem Pferdt in einer daffeten Schlingen, da ich eben auf der oberen Bihne in der Abbtey oben zu den Läden ausschaute und Wacht hielt, und eben 12 Reiter bey dem Thennenbachischen Weyerlin herab gegen dem Closter reiten gesehen. Ich lief mit großem Schrecken herab, dan ich gedachte gleich, es werde kein gute Partey sein. Da ich zu der Hausthüren kam, fand ich den vorgemelten französischen Capitain auf dem Roß warten. Ich erkennte ihn gleich, dan er den Winter zuvor zu Endingen im Quatier gelegen, und mich etlich mal zu Wunnenthal mit Wein, Brot und Fleisch heimbgesucht. Disen, sobald wir einander gegrüeßt, sprach ich an, er soll sich für unseren Salvaguardi austhun, es komb ein Partey Reiter, sie werd alsobald da sein. Sihe, kaumb hatte ich ausgeredt, da sprangen sie daher; der Capitain stellt sich für das Thor mit dem bloßen Degen, und da die Reiter absteigen, und Gwalt anlegen wolten, (ich stuend innerhalb und hielt den Riegel zu), da sagte der Capitain, sie sollens bleiben lassen, dan er sey vom Duc d´ Enghien daher zum Salvaguardi geschickt worden, und werden gleich mehrere hernach folgen. Da hielten sie in und ritten wider hinweg. Ich lief gsprungs hinauf zu sehen, wohin sie ritten, und ersahe, wie daß sie spornstreichs über die Äcker gegen dem stainin Brücklin eylten, allwo sie bei 20 Endinger ersehen, welche Meel aus der Kentzinger Müli abgeholt. Dise plinderten sie alle und ritten darvon; wider hinaufwärts. Ich kam wider hinab zu dem Capitain und sagte: Gott hab ihn zu uns geschickt; er hab uns vor der Plinderung und allem Übel erhalten. Ich sagte ihm unendlichen Danck und bat ihn, daß er noch so lang bey uns verbleiben wolte, bis die Armee ankomme, und ich von der Generalität ein Salvaguardi erhalten könne. Er entschuldiget sich und sagt, er sey vor Freyburg gar übel in Fuß geschossen worden, er müest sich verbinden lassen, er leid unsägliche Schmerzen. Aber das wöll er thun, er wöll sein Fänderich herausschicken, der da bleiben müesse bis ich ein Salvaguardi hab; welches er auch getreulich prästiert. Diser Capitain hieß Monsieur de la Croy. Kaumb war sein Fänderich bey uns ankommen, sihe da kamen drey baumstarcke Merode Brüder; sie hatten große dicke Axen und Hebeysen auf den Axeln, und wollten schon ans Thor ansetzen. Aber der Fänderich schrie zum Schelterlin hinaus, sie sollen sich fortmachen oder er schieß sie nider; worab sie erschrocken wider hinweggangen. Es war nun Mittag und würde die Armee umb 3 Uhr Nachmittag zu Kentzingen ankommen. Ungfer umb 2 Uhr gieng ich ohne Huet im Käpplin hinaus auf den üsseren Closteracker zu sehen, ob ich Etwar von den Völckeren sich sehen ließ. Kaumb hatte ich mich umbgesehen, da sprangen 4 Officierer daher, und umbritten mich; der ein sagt zu mir, du muest uns den Weg durchs Closter in die Statt zeigen, dan die ganz Armee werde hie durch kommen. Ich antwort, die Straß gang nit durchs Closter in die Statt, sunder zunechst da; er sehe ja die Statt vor den Augen. Er aber repliciert mit rauen Worten und sagt, was? Du Münch zeig mir den Weg durchs Closter, oder ich will die ein ander Weg zeigen, der dir nit gfallen wird. Under disem Streiten kam ein ganzer Trupp daher, und der mittlere war ein schöner Herr der sagte, last disen Geistlichen passieren. Er antwortet, er mueß uns den Weg durchs Closter in die Statt weisen. Der Herr sagt, was dörff es vil weisen, ligt sie doch da vor der Nasen; befahl darauf zwen Reiteren, sie sollen mich ins Closter beleiten.

Sobald nun die Armee noch fast 20000 starck zu Kentzingen ankommen (sie haben auch etliche hundert gfangene Kaiserische und Bayerische mit sich geführt), bin ich gegen Abent hineingangen in der Meynung ein Salvaguardi beym Duc d´ Enghien zu bekommen; kondt aber nit vorkommen, sunder ward zur Geduld bis Morgens gewisen; muest also den Fenderich noch behalten. Morgens umb 7 Uhr ging ich wider hinein, traff sein Beichtvatter, ein Jesuiter, im Hofgärtlin an spatzierendt. Ich ging zu ihm und bathe ihn, ob er mir nit ein Zugang zum Hertzogen köndte machen. Er sagte, ich soll hinauf gehen auf den Gang vor seinem Zimmer; wan er mich ersehe, werd er schon selbsten zu mir kommen. Ich folgte, aber das Zimmer war voller Generalspersonen, sowohl Weimarisch, als Tubadel, Öhm und andere, die mir aufgefallen, und der Turenne, die hielten heimblichen Kriegsrath. Underdessen daß ich da wartete, kam des Herzogen Hofmeister zu mir (der dan ein guter Teutscher war, und französisch auch perfect kondt); diser fragt mich, was mein Begeren wer? Ich sagte es ihm; da sagte er gleich zu mir, er sey ein geborener Teutscher, in der und der Occasion sey er als ein Oberster Leütenant gefangen worden, man hab ihn nit erlediget, und er habs auch für sich selbsten nit thun können, dan er sey umb Alles kommen, darumb hab er müessen Dienst da nemmen Noth halber. Er sey zwar Hofmeister, und hab Alles was er wünschen möchte; iedoch wolt er noch lieber in Kaiserlichen Diensten sein. Er sagte mir auch, daß der Marsch ietzundt schnur grad auf Philippsburg gange, und daß sie es innerhalb 3 Wochen unfehlbar haben werden, dan der Commandant daselbsten wölls übergeben, dieweilen die Kaiserliche und Bayerische alles Proviant und Munition hinweg und gen Freyburg genommen haben; darumb könn er sich nit wöhren. Und eben damalen stuend der Drommelschläger dort nit weit von uns, und sagte der Hofmeister, eben diser ists, der uns die Post bringt. Under wehrendtem disem Gspräch bracht man in einem ganz guldinen oder übergulten Schüsselin dem Herzog ein Suppenbrüe, und er wurd gekamplet. Er schaute einsmals umb sich (dan er war so lang, daß er alle Anwesendten übersehen kondt), und ersahe mich ungfer. Da lieff er gählings aus der Truppen (er hett den Kampel noch im Har auf dem Kopf stecken), kam zu mir, redte mich französisch an und fragte mich, woher ich sey und was ich wöll. Er vermeinte villeicht, ich wer ein Religios aus Franckreich von den Seinigen, dan wie ich erfahren, ist er ein Commendatarius – Abbt über etlich Abbteyen unseres Ordens in Franckreich. Ich aber gab ihm auf lateinisch Antwort und sagte: Ich hett da in der nehe (zeigt es mit den Fingeren) ein Frauenkloster und sey Beichtvatter darin; und weilen wir in großen Gfahren schwebten, beger ich allerdemüetigst ein gute Salvaguardi. Er gibt mir auf gut latein Antwort und sagt: seind Closterfrauen in ihrem Closter? (dan er konts sehen.) Ich sag ja; er verwundert sich hoch und sagt, man soll disen vom Adel kommen lassen.

Allweil er nun geholt wurd, redt er mit einem Botten, den er gen Paris schickte, den Verlauf, wie es vor Freyburg hergangen, dem König zu berichten, und gab ihm ein groß Paquet Schreiben mit disen Worten: Nimb hin dise Brieff; so vil Buchstaben du tragst, so vil Träher tragst du; dan es war ein Verzeichnuß der fürnemmen Todten, welche vor Freyburg sitzen seind bliben. Zum Hofmeister sagte er, er soll dem Drommelschläger (so auch zugegen stuendt) von Philippsburg sagen, er soll mit seim Volck maschieren; er selbsten wöll dem Commandanten die Antwort auf sein Schreiben bringen. Dis Alles hab ich aus seim Mund gehört; er aber vermeinte nit, daß ichs verstanden hab. Da nun der vom Adel, welcher mein Salvaguardi sein muest, ankommen, sagt der Herzog zu ihm: gehe hin mit disem Religiosen und sey Salvaguardi in seim Closter, und bewahrs wol, so lieb dir dein Leben ist; weich auch nit hinweg bis kein Mann mehr von der Armee zurück ist. Da danckte ich dem Herzogen demüetig, und bat ihn um ein Steur, dieweil ich in eusser Armuet lebe. Er sagt hierauf zu dem vom Adel, er soll mich zum Großhofmeister führen (derselbe war ein französischer Margraff und hatte sein Quatier ins Burgermeister Ysselins, hernach Schultheißen Haus), daß er mir etwas geben soll, welcher mir dan ein halbe Dupplon gegeben. Gleich nach solchem blaste er zu Pferdt, und gschahe der Aufbruch in aller Eyl. Die hohe Officier und Stuck waren allein in der Statt; die ganze Armee aber zwischen Kentzingen und Herboltzheim; und ist Philippsburg innerhalb 3 Wochen übergangen, wie mir der Hofmeister vorgesagt hatte.

Sobald nun diser gfährliche Marsch vorüber war, und kein Gfahr mehr gedunkte vorhanden zu sein, reiste ich den anderen Tag hinauf gen Breysach; da sahe ich ein große Quantitet vor der Statt heraußen Zelten, worin lauter Verwundte und Geschädigte lagen; und als ich in die Statt hinein kam, war noch ein grösser Ellendt. Ich sahe fürnemme Herren schon halber todt, in der Leylachen von eim Ort zum anderen tragen. Nach verrichtem Gschäft ging ich selbigen Tag noch hinweg auf Freyburg zu. Da sahe ich hin und her auf den Bergen der Franzosen verlassene Feldläger und gieng auch durch etliche der Kaiserischen aufgeworffenen Schantzen, woraus sie mit großem Schaden von den Franzosen geschlagen worden. Desgleichen ging ich auch gar durch den Ort, wo das bluetige Treffen geschehen ist, und lagen noch allerley Sachen hin und her, von den Leüten und Pferdten, die Todten waren aber schon begraben. Da ich für das Statthor gen Freyburg kommen, füehrt man mich für den Commandanten (es wars damalen der Oberst Carle). Diser empfing mich freundtlich, dieweil ich der erst Geistlich war, welcher aus dem Land in die Statt kam, und muest mit ihm zu Mittag essen, welches hernach noch mehrmalen geschehen.

Da ich nun wider nacher Wunnenthal kam, fand ich wider harte Streitt mit dem Commandanten aus Liechteneck, welches mir schier gar das Leben gekostet.

Es ist aber der Verlauf also hergangen. Sobald die Statt Freyburg an die Kayserische Seiten übergangen, hat gleich der Commandant auf Liechteneck gedacht, es wird ietzund an ihn auch gelten, und er werd nit mehr lang Platz darauf haben. Weil er dan ein Acker mit Waitzen diesseits der Eltz auf der Wunnthalischen Seiten hatte, und damalen kein Brucken über die Eltz war, auch wegen den Parteyen, sowol Freyburgischen als Feindtlichen kein Sicherheit nirgent war, wuste er nit wie er sein Waitzen zuwege bringen köndt, der allbereit zeitig war zu schneiden. Schickte derohalben zu mir, ich soll zu ihm hinauf ins Schloß kommen. Ich ging zwar und kam zu ihm; da bringt er mir vor, er hab dort unden unnerhalb ein Acker mit Waitzen 6 Jüch groß, der Waitzen schön und schon zeitig zu schneiden. Nun wiß er solches nit ins Werck zu setzen, daß er könne geschnitten werden und ins Schloß gefüehrt; dan es sey kein Bruck da, keine Leüt wiß er zu bekommen, weilen alle Menschen von Hecklingen hinweg weren. Also find er kein anderen Rath, als wöll ihn dem Gottshaus umb 5 Viertel zu kaufen geben; daß solche Frucht aber ich ihms aufs beldest, nemblich innerhalb 3 Tagen, aufs Schloß liferen soll. Ich wolte mich mit der Unmüglichkeit entschuldigen, dan ich hab keine Leüt, auch keine Fuhr ec. Er wurd zornig, und sagt, diß müest ich thuen, oder er wöls Closter anzünden. Ich gedacht er sey ein gottloser Calvinist, und jetz desperat, nit lenger auf dem Schloß zu bleiben, er möchte erst das Closter zu Grund richten, welches bisher so gnediglich von Gott erhalten worden were, sagte derohalben, wan das Ueberige über die 5 Viertel eigentlich unser solle sein, wöll ich sehen, wie ichs zu Wege brechte, wiewohl es mich schier gar ein Unmüglichkeit geduncke zu sein. Er sagt, ja das Ueberig soll alles uns verbleiben. Ich ging darmit hinweg, kam heimb, zeigs meinen Closterfrauen an; keine aber fands müglich zu sein. Damalen waren noch drei Bauren bey uns, und ein Jäger von Malterdingen; dise Bauren waren zwei von Bombach und einer von Bleichen. Dise sprach ich an, dieweilen sie schon vil Wochen lang bey uns in Sicherheit gewesen, und des Gottshaus Guethaten genossen, sollen sie ietzundt zu Erkentnuß uns auch disen Dienst thuen und uns dise Frucht abmeyen oder abschneiden wie sie kondten, dan es stand uns dise Gfahr darauf. Sie ergaben sich willig darein; zwen meyten, und einer schnitt; ich haute eylents Widen, der Schitz muest binden; die Mägt und die Closterfrauen muesten die Wällen an die Eltz tragen. Ich lieff in die Müli, holte den Mülknecht, daß er die Frucht mit dem Schiff hinab bis gegen dem Closter füehre, versprach ihm zwei Sester Waitzen zu geben. Da nun die Frucht alle, also in einem halben Tag an dem Acker bis auf die ClosterMatten gebracht worden, muestens die Magt und die Closterfrauen ins Closter in das Capitel und die groß Conventstuben tragen; die Bauren muesten mir auch gleich die fünf Viertel auströschen.

Da war nun die Frag, wie ichs aufs Schloß liferte, es war an einem Sambstag in der Octav unser lieben Frauen Himmelfahrt, und zumalen auch die Vigil, und Vorabent des Fests unseres Heil. Vatters Bernardi. Ich ging in die Müli, sprach den Müller an, er wolts mir hinauf führen auf dem Wasser, oder durch sein Mülknecht füehren lassen. Er wolts aber nit thuen und den Knecht nit thuen lassen, sunder fuohr mit dem guten Schiff hinweg zu fischen; was wolt ich nun anfangen? Der Tag war vorhanden, daß sie muest geliefert werden, die Dreuwort stigen mir zu Herzen. Ich kondt mit dem Schiff nit fahren; es war nur ein alt Tribort vorhanden, welches darzu an eim Schnabel ein groß Loch hatte. Endlich da ich mich lang bsunnen, gedachte ich, ich wöls wagen, Gott geb, wie es mir ergehe, damit ich das Closter erhalte; bildete mir ein, ich wöll das Schiff an den Hecken hinauf zihen, und gedachte nit, daß es vil Lucken hatte, wo keine Hecken weren. Nun war auch die Eltz so groß, daß sie ganz ebenländig war. Dessen allen ungeachtet stig ich ins Schiff, stieß es aus dem Einfang in die volle Eltz, hebt mich etwan ein Stainwurf weit an den Hecken, aber sie hatten bald ein End. Da wolt ich ruderen, und kondts nit, und weil das Schiff schwer war, stieß es das starck Wasser gleich in die Mitte, und es fuhr hinabwärts, da wurd mir sehr bang, förchtendt es möchte über das Wehr hinab schießen; arbeitete derohalben mit allen Kräfften; wieder ans Ort beseits zu kommen; welches zwar gelang, aber ich war müed und voller Angst. Sobald ich aber ein wenig erschnauft, wagte ichs wider und gings mir wider wie vorhin; da wurd ich noch müder und zitterte an allen Glider vor Angsthaftigkeit. Da stund ich wider im großen Zweifel, ob ichs noch einmal wagen wolt? Die große Gfahr meines Lebens schwebte mir vor Augen; und die Dreuwort des Verbrennen des Closters ängstigte mir das Herz mit Leiden; und weilen in perturbatione nullum consilium, Einer in der Verwirrung ihm selbsten nit rathen kan, wagte ich es noch zum dritten Male; aber o Gott, wie gehts?

Hie wird man klar erkennen, wie Gott, die Muetter Gottes, der Heil. Vatter Bernardus, der hl. Schutzengel die Seinigen in den höchsten Gfaren erretten kann; dan obgleich ich in meiner höchsten Verwirrung an sie alle nit gedacht, und Niemandt wust um Hilff anzuruefen, sunder da ich sahe, daß ich nun aufs beldest übers Wehr hinab gestürzt werden, legte ich das Ruder nider, und saß auch nider, ließ das Schiff fahren. Aber o Wunder über Wunder! Das groß Loch im Schiffschnabel war vornen, und sollte nothwendig vornen her hinabschießen, und doch ist das Schiff gählings umgewendt worden (wer wolt zweiflen, daß es nit mein SchutzEngel auf Geheiß der Mutter Gottes und des hl. Bernardus, als umb deren Clösterlins willen ich in solcher Leib und Lebensgfahr schwebte, gethan) und durch ein Fischschlauch hinabgschossen unangestoßen, wiewol auf beiden Seiten etliche eichene Pfähl geschlagen waren, neben welchen das Schiff kaum zwen Zwerchfinger Platz hette hindurch zu kommen, und wan es an einem nur ein wenig angstoßen hette, wär es unfehlbar zerschmettert und ich untergangen. Disen Fall sahe ein Soldat aus der Statt, der ungfer auf die Brucken kommen, laufte eylendts in die Statt, und schreitt man soll laufen, der Beichtvatter sey mit sambt dem Schiff über das Wehr hinabgeschossen. Underdessen, da nun das Schiff (Gott sey ewiger Dank), also ungeschädiget meiner und seiner drunten auf dem Strudel stuendt, und anfieng rings herum zu laufen. Damit ich nit erst noch in ein neue Gfahr komme, faste ich wider ein Herz, stuend im Schiff auf, namb den Ruder und stieß es aus und ab dem Strudel, und ruderte gegen der Bleüe zu bis zur Stiegen (wie es den damalen eine gehabt), stig aus, bindte das Schiff an, und ging durch die Müli. Sihe, da kam der Volckshaufen gelaufen, wolt Jederman sehen, wie es mir ergangen were.

Ich kam heimb, fand die Frau Muetter und die Bauren auf dem Korn – Kasten, die fünf Viertel Waitzen in die Säck fassen. Sie sahen mich an, erschracken, und die Frau Muetter sagte: o Jesus, wie sehent ihr aus, was ist euch geschehen; ihr sehent aus wie der bitter Tod? Ich antwort und sag: Ich sey auch nit weit darvon gewesen. Sie fragt, wo ich dan gewesen sey? Schier in der anderen Welt, antwortet ich, und erzehl ihnen, wie es mir ergangen. Nach solchem sagte ich zu den Bauren und zu dem Schitzen von Malter-dingen, sie sollen mit mir gehen. Sie gingen und ich führte sie underhalb die Bruck, zeigte ihnen das Schiff noch an der Bleue angebunden und fragte, ob nit einer under ihnen getraue, das Schiff disseits zu bringen. Der Schütz sagt, ja, er getraue es herüber zu bringen. Ich sag, er soll hingehen und es holen, wir wöllen es auf dem Land hinauf ziehen bis über die Brucken und dan sehen, wie ich und er solches dan bis an die Wäsche unserer Closter – Matten bringen. Dis gschahe Alles und gelingte und wohl. Da aßen wir zu Mittag; nach solchem sagte ich zu den Bauren, sie sollen die fünf Säck mit Waitzen hinaus ins Schiff tragen. Ich und der Schitz wöllens hinauf bis zum Schloß führen. Sie trugens hinaus und wir zwee begaben uns ins Schiff und fuhren um zwölf Uhr ab. Der Schitz hatte das Ruder und ich zog an der Hürst (Anm. Gebüsch). So lang wir Hürst hatten, ging das Schiff fort; sobald aber keine Hürst mehr war, stieß uns das Wasser hinaus in die Mitte und wider das Wasser hinab etwan 20 oder 30 Schritt weit, bis wir wider an die Hürst kamen. Und das wehrte ganzer drey Stundt lang, bis wir entlich zu der abgeworfnen Brück kamen. Under dessen lief des Schitzen Frau auf der anderen Seiten der Elz am Wasser nach auf und schrie, was in ihr Kälen kam: O Mordio, Mordio, mein guldinen Mans! ach steig doch aus dem Schiff, du versaufst sunst ohn allen Zweifel! Da wir dan also anlandten, muest erst der guet Schitz alle fünf Säck mit Waitzen den Berg und bis zum Oberst ins Schloß hinauf tragen, und gab uns der Tyrann nit ein Tröpflin Wein zur Erquickung, da ich doch schier halber todt war, sunder sagte, es sol uns guet sein, daß wirs gelifert haben; er wolte sunst eine wüste Letzin (Anm. Andenken) hinterlassen haben, weil er ietzundt ab dem Schloß müesse. Ist also dise frucht mir saur gnug worden, wiewolen sie uns auch wohl bekommen (dan wir waren damalen in höchster Hungersnoth); wir hatten über alle Ausgab (welche ich um erwisene Diensten gehabt) noch über die zwölf Viertel des schönsten Waitzens zum Besten.