Capitel 12. Wie ich von Rhain hinweg und in mein Vatterland wider gezogen.

Nachdem ich dann zu Rhain wohl abgeletzt, zog ich den 18. Merzen hinweg auf Loiben (Anm. Leoben, jetzt Sitz eines Bischofs und des kaiserl. Oberamts für Steiermark.) zu, welches eine feine Statt in oberen Steyrmarck gelegen, und wird dahin alles Eisen gefüehrt, welches aus den Gebirgen und Erzgruben gegraben wird, und ligen alle Gassen voll wie Holzhäuffen. Auff das Fest St. Benedict war ich in Neüenberg und kam auf den Palmtag gen Lilienfeldt; ward ehrlich empfangen und muest daselbst verbleiben bis nach den Osterfeüertagen. Der Prälat sahe mich gar gern daselbsten ankommen, dieweilen ich vom Kloster Rhain kam, dan er kondte allen Bericht von mir haben, wie Alles daselbsten beschaffen und wie sichs verloffen, welches dann ihm gar wohl kam, weilen er nach der Ostern dahin muest (auff Brieff des Kaisers) zu visitieren.

Im Kloster fand ich auch die zwo Closterfrauen von Fridenweyler, welche von Judenburg wider hinweg waren, und hie ins Kaisers Zimmern logiert waren. Die ein hieß M. Ursula Cladin, die ander M. Agatha; die erstere ist daselbsten gestorben, die andere aber wider heimb kommen. Zu disen dörffte kein Religios niemalen, auch sogar in der Kürchen nit, ausser dem Prior, welcher ihr Beichtvatter verordnet gewesen. Mir aber hat der Prälat vollkommene Licenz gegeben, so offt ich wöll, weilen sie under meines Closter Visitierung ghörten.

Der Prälat hieß Cornelius, war ein geborener Niderländer und Doctor Theologiä, that mir große Ehr und Lieb an, also daß mir schier nit grössere hett können widerfahren, wan ich ein Prälat were gewesen. Ich muest ihm auch in die Handt versprechen, daß ich mein Prälat wölle dahin bewegen, daß er zu ihm gen Lilienfeldt soll kommen, und sein Exilium bei ihm wölle haben, bis er wider in sein Closter können kommen, welches ich dann auch prästiert. Dan er ist hinabgezogen auff mein starck Zusprechen hin; ist zwey Jhar drunden gewesen, hatt grosse Gnaden erlangt, hatt beym Kaiser Audienz gehabt, hatt hundert Ducaten von ihm zur Verehrung erlangt; ist auch vom Prälaten mit köstlichen neuen Kleideren und anderen Schenkungen bereichert worden. Der zuvor nit drey Batzen hatte, ist mit etlich hundert Ducaten zu Pferdt zu Wettingen über zwey Jhar wider ankommen. Aber ich wend mich wider zu mir.

Nachdem nun die Osterfeürtag vollbracht, begerte ich wider Urlaub vom Prälaten, und weilen er von mir vernommen, daß ich entlich entschlossen were, daß ich mich bewerben wölle und allen eüssersten Ernst anlegen, unser Gottshaus Thennenbach (und solt es mir auch das Leben kosten) wider in unser Händ zu bringen, gfiel es ihm über die Maßen wohl. Und da ich nach empfangener Benediction ihm mein Handt darbott, legte er mit zwölff Thaler darein für ein Zeerpfenning und gab mir sein eigen Leibpferdt (ein überaus schönen Schimmel) etlich Stund weit zu reiten, bis in ein Flecken, wo er ein Pater hatte zum Pfarrer, welcher mir wider ein anders geben mueste bis gen Maria Cell in die berümbte Wahlfart, welche in selbigen Orten so fürnemb gehalten wird als hiesiger Orten Einsidlen. Es sind auch Benedictiner daselbsten wie zu Einsidlen.

Nachdem ich nun mein Andacht daselbsten verrichtet, zog ich wider weiter fort und kam wider gen Loiben in die Obersteyrmarck, und von dannen durch vil Gebirg gen Halin (Anm. Hallein, Stadt an der Salzach, zwei Meilen von Salzburg), wo die Salzpfannen, welche allein mit ihrem Gwinn des Kaisers Kuchen aushalten soll können, wie mir der Pfarrer daselbsten gesagt. Bey disem Ort ist ein Seelein, worin die schönsten Sälmlin in großer Quantität, und ganz roth Flaisch haben, gefangen werden. Von selbigen Orth kam ich in das weit berüembte Gottshaus Admont Benedictiner Ordens. Und weilen es in disen wilden Gebirgen und Thälern noch ein gar kalte Winterzeit mit Eys und tieffem Schnee war, bin ich mit den Rossen, die ich von eim und anderem Orten ums Gelt genommen, offt in schwere Leib – und Lebensgfahren gerathen mit Fallen und Schliffen der übel beschlagenen Rossen; und weilen das Eys eben in allem Aufbrechen gewesen, und schier weder zu reiten noch zu gehen gewesen ist. Darumb ich dann auch in solche schwere Catharren und Hauptflüß gefallen, daß ich nit anderst vermeint, es werde mir das Leben kosten.

Aber zu allem Glück kam ich in das fürtreffliche Gottshaus Admont Benedictiner Ordens auch in solche wilden Bergen gelegen, wie S. Bläsi auff dem Schwarzwald. In disem Orth wurde ich mit solcher Lieb empfangen, daß ichs billig noch allzeit zu loben hab. Der Gastmeister war ein Pater und geborner Graff; diser sobald er gesehen, daß ich so gar übel dran were mit dem Catharren, sagt er: wart mein Kindt, ich will euch bald gesundt machen. Da es Abent worden, namb er zwey weisse Hembder under den Arm, sagt, ich soll ihm nachfolgen. Ich wust nit, was er thuen wollt; ich gieng ihm nach; er füehrt mich in die Pfisterei zu einem grossen Bachofem, worin ein grosser Hauffen Holz lag, dürr zu werden. Er fangt an seine Kleider auszuziehen bis auffs Hembd, und heist michs auch also thuen. Es war aber stockfinster, dan er füehrte mich mit einem Licht dahin. Da wir nun beede im Hembd da stuenden, schlupffte er mit dem Licht in den Ofen, macht ihm und mir mit den Scheiteren ein Sitz, heist mich auch hinein schlupffen und nidersitzen (der Bachofen war so hoch, daß einer schier gar darin auffrecht stehn kondt), löscht das Licht aus, heist mich das Hembd ausziehen und schwitzen, so lang ichs leiden kondt, welches er auch gethan. Das wehrte schier ein halb Stundt. Nach Verrichtung solches schlupfften wir wider hinaus, und er gab mir einweis Hembd anzulegen; füehrt mich hinab ins Gasthaus, macht mir ein Betlin hinder den Tisch, raücht mich, und muest ich ein Weil ruhen bis das Nachtessen gebracht wurd. Dis war also die Kur, die er mir gebraucht hatt; sie hatt so wohl gewirckt, daß ich den andern Tag ganz und gar von allem Catharr frey und ledig war; worauff mir der Prälat acht Tag lang dapffer mit Recreationen lies zusprechen und im ganzen Closter alle Freyheit zuließ.

Nach verflossenen acht Tagen zog ich wider hinweg und kam gen Saltzburg; daselbsten kerte ich auch bey S. Peter, ein Benedictiner – Closter, ein, und gschahe mir so vil Ehr und Guets als im vorigen zu Admont.

Es war eben das hl. Pfingstfest da eingefallen, und wurd auch acht Tag lang da auffgehalten; wurd mir auch in wehrendter diser Zeit alles Denck-wüdigs gezeigt; sunderlich der Lustgarten und Weinkeller des Erzbischoffs.

Von dannen zog ich dem Tyrol zu, und kam durch etliche Stätt endtlich gen Insbruck. Namb meine Herberg bey den Barfüesseren; zwar am Tag war ich wenig bey ihnen, sunder mehreres bey meim H. Vetteren, Doctor Schmausen, damalen Kammer – Präsidenten, der mir vil Guets gethan. Kurz zuvor war der halbe Pallast der Erzherzogen durch Verwarlosung mit noch vil anderen Gebäuden und einer schönen Kirchen abgebrent. Die Schuld hatt den Oberst Äschers Dieneren wöllen zugemessen werden, darumb er auch damalen in grossen Ungnaden gewesen.

Von Insbruck war mein Weg gen Stambs in das herrliche Mans – Closter unseres Ordens. Daselbsten blib ich auch acht Tag und gschahe mir gar vil Guets; nit gar lang darvor ist unser P. Johannes Mayer daselbsten gestorben als ein Exulant.

Von Stambs mueste ich über den Adlerberg Feldtkirch zu. Ich namb die Post, muest jede Meil ein Thaler geben; es hatt sich aber auff diser Rais dises zugetragen, daß weilen auff dem Adlerberg noch ein unsäglicher grosser Schnee gelegen, und selbigmal, da ich hinüber geritten, die Sonn gar heiß geschinen, daß mich die Reflection der Sonnenstralen im Angsicht dermaßen verbrent, daß ich zu Feldkirch drey Tag lang hab müessen still ligen und den Doctor gebrauchen, und hatt die ganze Haut im Angesicht mit Rauchwerk müessen getört und abgeschöllt werden.

Von Feldtkirch kam ich gen Sargans, ein Stättlin und Landtvogtey den Schweitzeren schon zugehörig, allwo damalen mein geistlicher Vatter Christian Schön, Landtschreiber zu Zug, Landtvogt gewesen. Ich war da willkumb und beging das Festum Corporis Christi daselbsten.

Von dannen kam ich über zwehn See entlich den 2. Juni glücklich wider zu Wettingen an, nachdem ich vor vierthalb Jharen von dannen hinweg und vil gfährliche Raisen verricht, wie der Verlauff hievornen kürzlich begriffen, und man von mir in wehrendter diser Zeit kein Erfahrnuß mehr gehabt hatt.