Als ich nun etwan noch ein halbe Stund weit von der Statt Paris war, ersahe ich sie da in einem weiten und breiten Dobel (Anm. Gemeint: Thal) ligen, welcher sich vil Meil wegs in der Runde herumb zog und kaum übersehen kondte werden, wiewohl mein Straß, auff welcher ich wanderte, zimblich hoch lag. Ich kondte mich nit gnuegsam verwunderen über die Größe sowohl der Statt, als der schier unzählbaren Schlössern und köstliche Lusthäuseren, welche gringsherumb, außerhalb der Statt, auff den Höhen lagen. In dieser Verwunderung und Beschauung verstundte ich, daß ich nit warnamb, was vor mir, oder hinder mir gschahe, welches dann von nit gar weitem Strolch wohl ersehen, und derohalben mir ein solchen Fahlstrick gelegt, daß, wan mich Gott nit gleichsam wunderbarlicher Weis erhalten hette, ich ohnfehlbar umb Leib und Leben kommen were.
Die Sach aber desto besser zu verstehen, ist zu wissen, daß selbiger Zeit (wie mir noch im selbigen Tag ein Pater unsers Ordens und Profeß zu Claravall, damalen Doctorierendt zu Paris und hernach General über den ganzen Orden, Claudius Vaussin genant, gesagt) über die zehen Tausend Rauber, Mörder und Seckelschneider zu Paris sich befinden, welche sich nur mit Rauben, Stehlen und Mörden erhalten; die auch einen eignen Fürsten über sich haben, welcher nit lang zuvor in einem offentlichen Schauspil under vil anderen frembden Fürsten, welche zuschauten, zugegen gewesen. Und als diser Mörderfürst auch sein Raubgwinn bey diser Occasion suechte, ersahe er, wie die Königin ein überaus köstlich Edelgestain in der Hand hatte, welches sie von einer Hand zu der anderen umbwexlete, und also darmit spilte. Gedachte also solches auch in sein Rauberhandt zu bringen, machte sich nahe zu ihr, und als er ihr unvermerckter Weis hinden am Rucken stuendt, griff er gählingen und erdapts in Ansehung des Königs selbsten, welcher gegen ihr hinüber gestanden und gelacht; dann er vermeinte, es habs einer Spaßweis genommen, er es widerumb hergeben werde. Aber der Mörder schmuckt sich zwischen dem Gedräng des Volcks darvon und hatt ihn Niemand mehr ersehen noch erfunden; das Kleinodt war zwanzig tausent Gulden werth geschezt.
Diser Rauber einer kam gegen mir gegangen, als ich die Statt also genau beschaute; diser Gsell hatte in einem weißen gstrickten Seckelin ein schöne doppelt guldine Ketten (worbei auch ein Briefflin war) zu einem Fahlstrick gelegt, offentlich auf die Straß. Er gieng etwan zwanzig Schritt weit darvon gegen mir, und als er zu mir kommen, grüest er mich freündtlich (er hatte ein Mantel an einer Axel hangen und ohne Zweiffel ein Mördergwöhr darunter) und fragt mich, woher ich komme? Da ich sagte, von Orleans, sagte er hinwiderumb, gar recht, habt ihr nit sechs Pferdt mit roten Deckinen bespreittet angetroffen; ich bin heraus geschickt worden, auff dieselbige zu warten. Ich sagte, ich hab sie zwar gesehen, dann sie seind vor mir vorüber geritten, aber sie werden schon lengsten in der Statt sein. Da sagte er, nun wolan, so mueß ich dann wohl wider umbkehren; gieng also hert neben mir wider zuruck, und fragte mich, woher ich komme, er merck wohl, daß ich ein Frembdling sey. Ich antworte, ich wer aus Teutschlandt vertriben durch den Krieg. Er that dergleichen, als hett er ein groß Mittleiden mit mir, in allen Gehen und Gespräch aber luegte ich niemalen auf den Boden, sunder allzeit gegen der Statt. Da sagte er gählingen, o Herr, was ligt da, thät dergleichen, als trett er ungfer darauff! Hebt es auff, und sagt, hoho! da haben wir ein Schaz gefunden, es ist etwas Schwehrs in disem Seckelin, reicht mirs dar, und sagt ich solls auffmachen. Ich aber wolts nit in die Hand nemmen, und sagte, ich habs nit gefunden, beger auch nichts darvon, dann er allein habs gefunden. Er aber sagt: o nein, ich habs eben so wohl gefunden als er; ich müest das Halb darvon haben, es sei gleich, was es wölle. In dem wir nun also fortgiengen und stritten, kamen wir zu einem Kürchlin, bei dem auff der rechten Hand ein tieffer Holweg hinunder gieng. Er sagte, da wölln wir hinunder gehn, damit uns Niemand sehe, und wöllen den Schaz mit einander theilen. Ich wolt aber nit und sagte, ich beger nichts darvon, es gher mir nichts daran. Er zwang mich aber, und sagte, ich müest mit ihm hinunder, oder er wöll mir etwas anders zeigen. Da gieng ich mit grossen Schrecken und Angst; da uns nun Niemand mehr sehen kondte, und mir die ganze Statt aus den Augen war, gedachte ich, nun werd ich ermordet werden. Er stuend still, und reicht mir den Seckel dar; sagt ich soll ihn auffthuen; ich aber wolt abermal nit, sunder sagte, er soll ihn selber aufthuen, er hab ihn selber gfunden. Da eröffnet er ihn und zeugt ein schöne guldine Ketten in einem blauen Papeir gewicklet und ein gschribnen Zedel heraus. Reicht mir den Zedel dar zu lesen; ich aber namb ihn nicht an, sunder sagte, ich könne nit französisch lesen; da lase er ihn selbsten, und war der Inhalt: daß ein Graf diese Ketten aus Paris einer Gräfin (Margareta N. genannt), auff einem Schloß wohnendt zuschicke und hab die Ketten 60 Ducaten gekostet. Da sagte der Rauber, er kenn dise Gräfin und den Grafen wohl. Es müest einer, der dise Ketten überliferen hab sollen, sie verloren haben, was es uns angang; wir habens gfunden, wöllens auch behalten. Sagt darauff zu mir, wie wirs nun theilen wöllen? Ich antwort, er soll sie allein behalten, ich beger nichts daran zu haben. Er sagt darauff mit Zorn was? nichts daran haben? Ihr habts mit mir gfunden, ihr müests auch mit mir halb haben; dann ihr köndt sunst mich in der Statt verrahten, daß ichs hette. Ich antwort hinwiderumb, und sag: Ich kann euch nit verrahten, ich kenn euch nit, weiß auch nit, wo ihr wohnt; gebt mir ein Allmosen als einem armen vertribnen Religiosen und last mich gehen. Er sagt, o nein, ich weiß wohl, was wir thuen wöllen. Die Ketten ist 60 Ducaten werth, nun will ich euch die Wahl lassen, gebt mir 30 Ducaten und bhaltet die Ketten allein, oder kombt mit mir heimb in mein Haus, ich will euch 30 Ducaten geben, und will die Ketten bhalten. Ich antwort ihm und sag: Ich hab weder dreyßig, noch drey, noch ein Ducaten, beger auch an der Ketten nichts, er soll sie gleich wohl allein bhalten. Da fragt er mich ganz furios, wie vil ich dann Gelt hab? Hie verschrack ich, daß ich vermeinte, ich stehe in den Lüfften, und alle Har stehen mir zu Berg. Ich antwort, nur zwey Creuzdicken, die mir erst zu Orleans zur Wegzeerung seyen gegeben worden. Er schmählt darüber und sagt, o was wollt das sein, zwey Creuzdicken? Er wöll mir umb solche die Ketten nit lassen; ich soll mich fortpacken. Ich gieng auch mit grossen innerlichen Freüden fort, und danckte Gott im Herzen, daß er mich aus solcher grossen Leib – und Lebensgfahr errettet hatt. Er gieng wider die hole Gassen hinauff, ohne Zweifel ein Anderen damit zu fangen; und ich kann mir wohl einbilden, daß es nur ein falsche, also übergulte Ketten werde gewesen sein, mit welchen selbige Rauber die Frembdlingen als verfüehre.
Dann sobald ich darnach in die Statt in das Cisterciensische Collegium St. Victoris kommen, erzelte ich es einem Pater, welcher dann gleich darauff geantwortet: Ich hab wohl von Glück und Hail zu sagen, dann ich sey da von Gott wunderbarlich beim Leben erhalten worden. Dann, sagt er, hett ich die Ketten ein einigmal in meine Händ genommen, so hett der Rauber mich gfänlich ergriffen, in die Statt geschlept, und ausgeschrieen, ich hett die Ketten gestolen, und wer gleich auffgehenckt worden; oder wer ich mit ihm in sein Haus gangen, so hett er mich nackent ausgezogen und in ein Schnelgang gefüehrt, allwo ich hinunder in ein tieff Loch gefallen, und wer also jämmerlich zu Grund gangen. Dann es seyen diser Mörder eine grosse Quantitet in der Statt herumb, und obwol man sie gleich an jedem Ort, wo man sie erdapt, auffhencke, so kön mans doch nit ausreuten; also giengs mir vor der Statt draußen.
Aber in der Statt gieng es mir anfenglich auch nit am Besten; dann als ich in vorgemeltes Collegium eingangen, und meine Brieff dem Vorgesezten selbigen Orts (welchen man Provisor nent) zuschickte, und er sie übersehen, schickte er alsobald nach mir, (es war sein Zimmer also beschaffen, daß man gleich ein zimbliche hohe Stegen hinauff zu d´ Stuben Thüren gehen mueste, und ausser kein Vorgängle war). Da ich nun ankamb und die Stegen hinauff stig, stuend er schon under der Stuben Thür, eh daß ich gar hinauff kam, und sagte mit grimmigen Worten: was ich Vagant hie zu schaffen hab; wir teütsche Hundt vagieren nur herumb, ander Leüthen das Ihrig abzufressen; ich soll mich hinweg drollen, oder er werff mich die Stiegen hinab. Warff mir darauff die Brieff zu und sagt, ich soll mich nur gschwind aus dem Collegio hinweg packen, oder er wöll mich mit Spott hinaus stoßen lassen. Ich war traurig, aller hungerig und durstig, und noch voller Schrecken von der vorigen Gfahr. Ich gieng gegen dem Thor deß Collegii, in Meinung in die Statt zu gehen, wo ich etwan ein andere Herberg oder Einker suchen köndte.
Da ich nun underm Thor war hinauszugehen, gieng der Pater Claudius Vaussin, Profeß zu Claravall, hinein, fragte mich, woher ich were und wohin ich wolte. Als ichs ihme Alles der Lenge nach erzellte und ihm meine Brieff zeigte, ersahe er gleich auch den Brieff, der mir von seim Prior zu Claravall zum Abscheid gegeben worden, der hie vornen zu finden. So bald er ihn gelesen, namb er mich mit sich in sein Zimmer; der Provisor sey ein böser, neydiger Man, und sey jezundt so unsinnig, dieweilen er 3 oder 4 Wochen von seim Ampt springen werde: darumb geb er keim Menschen ein guot Wort.
Diser Pater Claudius Vaussin studierte damalen noch und wurde nechster Zeit ein Doctor Sorbonicus creirt. Er hatte sein eigne Kost im Collegio; bei ihme war auch noch ein anderer Pater aus dem Closter de Montibus Cernaeis genant. Er war ein Reformierter, er aß kein Flaisch, der P. Claudius aber aß Flaisch, und aßen doch bey einander an eim Tisch, undt muest ich beeder Gast sein im Essen und Trincken; theilten auch von ihren Betteren mit mir.
Den anderen Tag wolt ich widerumb hinweg, P. Claudius aber wolt mich nit hinweg lassen, sunder sagte, es were nit recht, wan ich mit Leib und Lebensgfahr in dise Statt kommen were, und gieng daraus, daß ich nichts Memorable darin gesehen. Mueste also den selben Tag noch bey ihnen verbleiben. Nachmittag gab er mir sein Famulum, der mueste mich in der Statt herumb füehren, und des Königs undt andere fürnembste Paläst zeigen.
Den dritten Tag begerte ich endtlich wider fort, und war mein Intent gen Niderlandt gericht; aber der P. Claudius widerriet mirs hefftig; dann er sagte, es werden schwere Krieg drunden abgeben; ich soll mich vilmehr wider ins Teütschlandt begeben.
Also zog ich aus Paris wider hinweg Burgund zu, und kam in 3 Stunden in das herrlich Closter Lis, Lilium genant, welches zwar unseres Ordens ein Frauen – Closter, aber dem Erz – Bischoff zu Paris mit der Visitierung underworffen. Dieweilen er eben damalen im Visitieren zugegen war, kondt ich nit lang bleiben, sunder aß nur mit dem Beichtvatter (der ein weltlicher Priester war) zu Mittag, und zog weiters. Kam auch gegen Abent in ein Mans – Closter unsers Ordens, dessen Namen mir ausgefallen, wie dan auch noch vil mehr andere. Letztlich arrivierte ich wider zu Dijon im Herzogthumb Burgund an, und zog gleich fort in die Graffschafft Burgund, und kam gen Dole. Von Dole kam ich wider in das Gottshaus, Mons S. Mariae genant (s. oben S. 269 [hier Seite 21]), in welchem mir das Nachfolgendte begegnet.
Da ich daselbsten ankommen war es schon spath und nach dem Nachtessen. Ich wurd in die Gaststueben eingefüehrt, und traff 3 Prälaten daselbsten an, welche ein ernstlich Gespräch mit einander wider unseren damaligen General Nivellium füehrten. Ich muest ihnen meine Brieff zeigen, und sie fragten mich, ob ich französisch rede oder verstehe? Ich antwort nein. Sie schwezen darauff fort und scheüen mich nicht; aber ich verstuendts gar zu wohl, daß sie ein Verräterey und Rebellion wider den frommen General ausspunnen, daß er solte abgesezt und der Cardinal Richelien zu einem eingesezt werden; zweh von disen dreyen waren Franzosen, der dritte Spannischer, den dise Franzosen suechten auch auff ihr Seiten zu bringen. Ob nun solches geschehen, weiß ich nit; das weiß ich wohl, daß der gottseelige General innerhalb 3 oder 4 Wochen darnach abgesezt, wie ich schon vermeldet ( s. S. 284 [Anm. hier Seite 38] *TODO).
Under disem Gespräch wurd mir ein groß Stuck überblibnes Kalbbraten und ein Maß köstlichen burgundischen Weins, du Claret genant, vorgestelt. Ich zechte tröstlich und schenckte mir selbsten eins übers ander ein. Die Franzosen verwunderten sich, daß ich den Wein ohne Wasser tranck, sagten, ich wird bald artliche Gebärden treiben. Ich aber that nit dergleichen, daß ichs verstuend, sunder aß und tranck fort, gedacht bey mir selbsten, hett ich nur noch ein Maß. Da ich nun fast fertig war, fragte mich einer aus den zwehn Franzosen, wo ich allenthalben im Franckreich herumb gewesen sey? Da ich es gesagt, fragt er mich, wie es mir gfallen hab in Franckreich? Auff dises wolt ich kein Antwort geben, sunder schwig. Da wollten sie alle drey mit allem Ernst ich solls sagen; da gab ich zur Antwort, wan sie mir die Parolen geben, daß mir nicht übels darnach gehn oder geschehen solle, wöll ich die Wahrheit bekennen. Sie versprachen mirs, sunderlich der Prälat des Closters. Da sagte ich: ich wolt lieber ein Hund in Teütschlandt sein als ein Religios in Franckreich, also hatt es mir gefallen. Da schrien die 2 Franzosen auff und sagten: o du bestia! stuenden in der Furi auff und sagten zum Prälaten des Closters, er soll mich lassen in die Gfängnuß werffen. Der Prälat that dergleichen als wolt ers thuen; dieweilen er aber gueth spannisch war, ließ er mich in ein Kammer füehren, und dieweil eben damalen der Abbt Christoph von Maulbrun (Anm. Maulbronn, im jetzigen Königreich Württemberg, nun Dorf und Oberamtssitz ehem. (1137) zu Eckweiler gestiftetes und 1148 hierher verlegtes Cisterzienserkloster) als ein Exulant daselbsten sich auffhielt, erzellte er ihm den Verlauff, welcher dann ihm den Rath gab, er soll mich Morgens vor Tag hinweg lassen und sagen, ich seye auskommen. Ward er also (nemblich der teütsche Prälat) zu mir geschickt, der mir ansagen sollt, daß ich mich Morgens vor Tag hinweg machen solt. Es werde mir ein Mann zugegeben werden, der mir den Weg weise, welches auch geschehen. Und dieweilen eben damalen ein solch groß Gewässer umbs ganz Closter gewesen, daß man allenthalben bis über die Kney watten muest, namb mich der Mann (der groß und starck war) auff sein Rucken mit sampt meim Ranzen, und träget mich ein weiten Weg durchs Wasser, bis ich Trückne fandt.