Capitel 6. Wie ich von Claravall wider hinweg und im Franckreich herumb gereist.

Als ich derohalben mein Abschiedsbrieff erlangt, ließ ich mir ein hl. Meß auf des hl. Vatters Bernard Altar halten, und brauchte der Priester (der ein Exul und Profeß von Ebrach aus dem Franckenlandt war, Pater Heinricus genannt, der hernach Prälat daselbsten worden) den Kölch des hl. Vatters Bernhard, der von purem Gold ist, und hab ich nach meiner Communion den Wein daraus genossen. Darnach war der ganze Convent auff dem Chor versamblet, und ich begerte die Benediction, wie sie über die Ausraysendte dem Ordensgebrauch nach solemniter pflegt gegeben zu werden. Nach solchem gieng ich in die Abbtey in Begleytung fünffer Cöexulen; und wurd uns ein gueth Früestuck gegeben. Nach eingenommen solchem begerte ich den endlichen Abscheid und noch einmal die Benediction vom P. Prior, die er mir auch gab neben einem zimblichen Zeerpfenning. Darauff ich fortmarschiert, und gaben mir die obgemelte fünff Exules das Gleyt drey Stundt weit, deren einer mein Ranzen und in anderer ein dreymäßige Gutteren mit bestem Wein trugen. Da wir nun von einander gar abweichen wolten, trugen wir auff dem weiten Feld ein großen Hauffen Stain zusammen zu einem Memorialzeichen und trancken den Wein aus. Theilten uns also von einander, ich Langres zu, sie aber wider Claravall zu. Zu diser Zeit war ein gar grosse Hiz, und von Claravall bis gen Langres waren ölf Stundt; dise muest ich in selbigen Tag verrichten von wegen des anderen Tag das Examen, und hernach die Ordines gegeben wurden. Dieweilen ich dann von wegen des starken Lauffens und der grossen Wärme gar hefftig erhitzet war, stieß mich eine solche Schwachheit an, daß man nit anders vermeinte, ich werde in selbiger Nacht sterben; darumb mir die Prediger Herren (bei welche ich mein Einker genommen) eylendt allerhandt Erküelungen gesucht; under anderen aber begerte ich ein Paar Pommeranzen aus der Apoteck und Pimpernellekraut. So bald nun mir solches willfart worden, ließ ich den Safft einer ganzen Pommeranzen in ein Maß Wein trucken und ein Handvoll Pimpernellenkraut darein legen, tranck bald ein starcken Trunck darvon und ward unversehens Alles wider besser mit mir, nit anders, als hette man mir alle Hiz mit einem Thuch hinweggewischt.

Den anderen Tag verfüegte ich mich in des Bischoffs Wohnung und meldete mich an, die Ordines zu empfangen, wie dann auch Andere mehr dergleichen thaten. Aber uns wurd geantwortet, es werde und könne auch dismal Niemand ordiniert werden, von wegen daß der Bischoff gar nit wohl auff seye, worüber ich fast betrüebt war. Da mir aber gesagt wurde, daß der Prälat von Morimund in der Statt in seinem Hoff zugegen were, gedacht ich zu ihme zu gehn, ob etwan er mir die Ordines gebe, dieweilen er (wie schon hie vornen gesagt worden) die Gwalt hatte. Da ichs derohalben an ihn begerte, gab er zur Antwort: in seim Closter Morimund köndte ers wohl geben, aber nit in einem anderen Orth; mußt also widerumb unordiniert bleiben; aber gleichwohl erlangte ich dise Gnad vom gemeltem Prälaten, daß er mir ein Generalbrieff gab, daß ich alle Ordines nemmen dörffe und könne, wo und in welchem Land oder Orth ich mich auffhaltendt befinden werde. Es lautete aber gemelter Brieff von Wort zu Wort also:

Illustrissimis ac Reverendissimis Dñis Dñis Archiepiscopis, Episcopis aut eorum Reverendis Dñis Vicariis cuiuscunque Dioecesis Fr. Claudius Briffant Abbas Morimundi, in Lingonensi Dioecesi, salutem et honorem.

Ut Altissimo famulantium numerus in monasteriis Nostrae Jurisdictionis augeatur, divinumque officium in eis ad maiorem Dei Gloriam melius persolvatur, dilectum Nobis in Cho confratrem nostrum Conradum Burger monasterii Portae Coeli in Dioecesi Constantiensi Nostrae filiationis, Nobisque immediate subjecti, religiosum expresse professum ad Vestri Pontificatus Celsitudinem tamquam idoneum, capacem aetatisque sufficientia compotem, duximus praesentandum, quatenus pro Vestra benignitate illum ad sacros quatuor Minores, Subdiaconatus, Diaconatus et Presbyteratus ordinare dignemini. Quo favore et beneficio devincti, una Supremae Maiestati pro Vestra incolumitate et faustitate vota precesque perpetuo offeremus. Datum Lingonis in aedibus Nostris, sub Nostra ac secretarii nostri subscriptionibus, cum impressione contrasigilli Nostri, die octava mensis Junii; Anno a Partu Virgineo 1634. Fr. Claudius Briffant.

Da mir nun solches der Secretarius zubrachte, bat ich auch umb ein Zeerpfenning und empfieng ein halbe Dupplon (Anm. Dublone (span.) d.i. doppelte, Goldmünze von 2 Pistolen.).

Von Langres reyste ich fort auf Pontiniac (Anm. Pontigny, eines der 5 Hauptklöster des Cisterzienser- Ordens ), und traff underwegs vil Clöster unseres Ordens an, deren Namen mir bis uff etliche entfallen. Als dann kam ich gen Pontiniac, blib ein par Tag daselbsten, und ward mir das herrliche Grab unseres H. Erzbischoffen Edmund gezeigt, welches von Möss (Anm. Messing) hoch erhöcht ist, also daß man ein Stieglin hinauff gehn muß; es ist auch rings herumb ein Gang und hatt das Grab 4 Thürlin oder Lädlin, welche mir auffgethan worden. Da sahe ich den Heiligen in seinen priesterlichen Kleideren unversert da ligen; die recht Handt aber, welche er dem Hl. Joannes dem Evangelisten ausstreckt hatt, da er ihn mit einer Rueten schlagen wolt, daß er einmal das Gebett O Intemerata vergessen hatte zu betten, war vom Arm abgesöndert und sundbar eingefaßt in einem silbern übergülten Arm, welcher von einander auffgethan kondte werden, wann man etliche Ring ab den Fingeren streiffte. Wann nun die Handt dises Armbs auffgethan wird, ligt die Handt des H. Erzbischoffs ganz unverwesen darin, wie ichs dann gesehen und mein Rosenkranz darauff gelegt gehabt. In disem Closter seind vil Ordens Antiquiteten noch zu sehen, und under anderem auch die Capell des H. Martyrers und Erzbischoffs Thomä von Cantuarien (Anm. Thomas Becket von Canterbury), worin der Engel Gottes ihme erschinen und geheissen heimbziehen, dan er werde daselbsten die Marter – Kron erlangen, wie dann hernach auch geschehen ist.

Von Morimund bis gen Cisterz sind zwehn Tagreys, und vil Clöster und Stättlin underwegs, deren Namen mir alle entfallen, bis gen Dijon, dahin ich am Pfingstabent kommen. Es ist aber etwan ein halb Stundt weit von darvon ein Chartaus (Anm. Kartäuserkloster), dahin ich mich für die heilige Feyrtäg reterierte und acht Tag lang darin mich auffhielte. Ein halb Stundt weit von diesem Closter ligt auff einem zimblichen hohen Berg das Stambhaus unseres allerh. Vatters Bernard; war vor disem ein Schloß (Fontaine genannt), aber jezundt ein schön Julienser – Closter (Anm. Dieses Kloster der Julienser oder Jeuillanten- Congregation ward von Jean de la Barriére gestiftet und nachmals eine Congregation von la Trappe). In dis Closter gieng ich hinauff, solches auch zu sehen, und ward gar freündlich empfangen; wurd mir auch Alles fleyssig gezeigt. Es war damalen erst noch von neüem angefangen zu bauen, war nur die Kammer, worin der Heilig Bernard geboren, zu einem Kürchlin geordnet, darin nur drey Altär, und der mittlere, das Orth, wo die Betladen gestanden, auff welcher das Kindlin Bernhard geboren, und ist die Geburt gar schön an der Altartaflen gemalt. Nachdem ich nun ein Meß bey disem Altar gehört, füehrteten sie mich in die Conventstuben, welche vor disem auch die fürnembste Stuben im Schloß gewesen, und gab mir ein Suppen, ein par Eyer, ein Trunk und ein Stuck Käs, dan sunst hatten sie damalen nichts anders; dann sie abstinieren gänzlich vom Flaisch, wie die Charthäuser. Sie heißen sich Reformierte Cistercienser, brauchen ihr Brevier, singen nie, und betten die Horas wie die Capuziner, seind auch ganz und gar allso gekleydet. Doch ist das Tuch ganz weiß und Wullin; haben auch solche Spizkappen und Sandalien an den Füeßen, halten das silentium streng, seind dem General zu Cisterz nit underworffen, sunder haben ein eignen im Closter Fulium genant.

Als ich wider ab disem Berg in die Chartaus gieng, begegnete mir ein Teütscher vom Adel, der auch in die Chartaus wolte, dieselbige zu besehen. Diser hatte ein Hoffmeister bey sich. Ich gieng vor ihnen her und hörte sie teütsch mit einander reden und sagen einer zu dem anderen: Es gedünckt mich, dis sey ein Religios aus dem Teütschlandt; der Ander antwortet, wir wöllen ihn anreden. Ich aber kerte mich umb undt sagte, ja ihr Herren, ich bin ein vertribener Teütscher; wir grüesten einander und kamen gleich mit einander in die Bekandtnuß; dann ich und der jung Edelman seind zu Ensisheim condiscipuli in einer Schul gewesen. Dise fragten mich aus, woher ich komme oder wohin ich wolle? Ich antwortete, ich wöll wider ins Teütschlandt, ich habe gehört, es wird widerumb Frid werden, weilen die Schweden geschlagen weren; ich mög nit mehr in Frankreich sein. Sie aber antworteten und sagen: nein freylich werd es noch nit Frid werden, dann die Kaiserische werden hin und wider widerumb geschlagen, wie dann sie ererst frische Brieff von dem Obersten Äscher (diser war dises jungen Edelmanns Vatter) empfangen, daß er vor wenigen Tagen beynahe vom Rheingrafen were gefangen worden, wann er nit mit sonderbarer Kriegslist were entrunnen. Dann als er mit etlich hundert in dem Stättlin Endingen im Breysgau gelegen, vermeynendt gar sicher zu sein, weilen kein Feind von zwölff oder mehr Meilen bewust war, seye der Rheingraff mit zehn tausend Reüter unversehens aus dem Würtemberg durch das Kinzinger Thal gegen Nacht, nur ein Viertelstund weit von Endingen in dem Dorff Forchen ankommen, hab gleich das Stättlin mit Schiltwachten umbstellt, in der Meynung, morgens früe dasselbig zu überfallen und ihn, den Obersten Äscher, gfangen zu bekommen.

Aber er (der Oberst) hab alsobald disen List gebraucht. Er hab alle Doppelhacken und etlich hundert Musqueten geladen grings umb die Statt auff die Mauren herumb gelegt, und zu jedem ein Stücklin Lunten brennendt bis gegen Mitternacht, welche alsdann alle nacheinander angangen und ein so groß Schiessen machten, daß der Feind erschrack und nit anderst vermeinte, als daß ein grosser Succurs, etwan von Breysach aus, werde ins Stättlin kommen sein; hielt sich derowegen die ganz Nacht in dem Gwöhr. Aber der Oberst Äscher hatt sich underdessen mit allen seinem Volk in der Nacht heimblich zum hinderen Thor aus der Statt und über St. Catharinen Berg gen Breysach retiriert. Sobald nun der Tag angebrochen, sey der Feind für das Stättlin geruckt, habs auffgefordert; aber die Burger, deren nur noch etlich wenig darin gebliben, haben die Thor auffgespert und die Schlissel hinausgetragen und angezeigt, daß der Oberst mit allem Volck schon Vormitternacht zum hinderen Thor hinaus auff Breysach zu seye. Der Feind aber wolt es erstlich nit glauben, und vermeinte, es wer ein Betrug darhinder; da sich aber nichts regen wolt, zogen sie hinein und fanden die Doppelhacken und Musqueten also herumb ligen, wie hievor gemeldet worden. Da war der Rheingraff dermaßen erzürnt, daß er die Statt verbrennen wolt; aber die Burgerweiber und Kinder thaten ein Fueßfall und erhielten so vil (dieweilen sie sich in Allem unschuldig zu sein erwisen), daß nur zwey Thor abgebrent wurden. Nach dem er also illudiert worden, hatt er die Statt ausgeplündert und ist wider hinweggezogen.

Dises war also dem jungen Äscher von seinem H. Vatter, dem Obersten, auff der Post von Breysach aus zugeschriben und zu Dijon ererst frisch gelifert und von ihm mir vorgelesen. Ermahnt mich darauff getreulich, ich soll noch nit heimb, sunder im Franckreich herumb ziehen und die Sprach lernen, wie ich dann auch gefolgt hab und mich resolviert, erstlich gen Cisterz, hernach weiteres zu ziehen.

Ein Tag vor dem Fest Corporis Christi kam ich gen Cisterz in das Haupt – Closter des ganzen H. Cistercienser Ordens, im französischen Burgund und 3 Stundt von Dijon gelegen, worin damalen die Sachen nit beym allerbesten bestanden; dann ein schwüriger Prior und auffrüererisch Convent darin war. Der Abt oder General war ein fürtrefflicher frommer Herr und wolte das dissolut Convent reformieren; die München aber widersezten sich aber dermassen, daß sie sich wider ihn an den Cardinal Richelien henckten, welcher dann nit gesaumbt, sunder bald ein starcke Hand Soldaten geschickt, welche den General (er hieß Petrus Nivellius) mit Gwalt ergriffen und in seiner Kutschen gen Paris gefüehrt; und ist also treulos und unschuldiger Weis vom Cardinal seines Generalats entsezt worden und zumalen auch seiner Abbtey. Und wurd zu einem armen Bischoff gesezt, deren es ein grosse Anzahl in Frankreich hatt, also daß in Teütschlandt vil Pfarreyen fürnemmer und reicher seind. Der Cardinal Richelien aber sezte sich selbsten zum General über den Cisterzer Orden und zum Abt des Closters Cisterz. Er wurd aber von den Teütschen nie darfür erkennt.

Es waren auch die Münche zu diser Zeit dermaßen in disem so fürnemmen Closter Idioten und Ignoranten, daß wenig under dreyßigen Latein reden kondten und gar keiner dauglich war, der ein Novizen – Meister sein kondt; dahero sie ein frembden jungen Professen und Exulanten von Lücell (Anm. Lüzel, Lucis – Cella oder Lucella am Jura nahe der Schweizergränze a. 1124 gestiftet, ist in dritter Linie Stammkloster der Stifte Wettingen und St. Urban) her zu einem gemacht. Diser sobald er vernommen, daß ein frembder vertribener Teütscher ankommen, suechte er Glegenheit zu mir zu kommen, weilen ich ungüetiglich von dem unmanierlichen Priore empfangen worden, als welcher mich gleich in ein Zimmer auff die Abbtey hat füehren lassen, worin weder Stul, noch Banck, noch Bett, noch Tisch, noch Sizen war, und ein einzig Fenster in der Höhe. Darin bin ich allein gewesen, also daß in 4 Stundt lang kein Mensch zu mir kommen, und mir weder Trincken noch Essen worden, da ich doch als ein Raisendter müed, durstig und hungerig war. Also kamb endlich der von Lücell zu mir, deme ich mein Noth klagte. Er hatte gleich ein Mitleiden, lieff geschwindt und holte ein guoten Trunck und Brot, sagte auch, wie der Prior ein Tyrann und böser Man were. Ich soll gewarnet sein, wan ich etwan angestrengt sollt werden, daß ich bey ihnen soll bleiben, welches dann der General ohne Zweifel thuen werde, dann er hab die Teütschen gar gern, soll ich mich wehren und beyleib nit einwilligen. Dann ich köns nit glauben, wie es in Allem so schlim hergange; wan er so wohl köndt ledig werden als ichs noch seye, er wolt kein Stundt mehr bleiben; dieweilen er aber von seim Prälaten daher sey geschickt worden, müest er zwungener Weis dableyben.

Gegen Abent kam der H. General aus seim Schloß, Gilli genant, im Closter an, dem mornderigen Fest Corporis Christi bey zu wohnen. Sobald er aus der Kutschen gestigen und ihme angezeigt worden, daß ein Teütscher Vertribner da ankommen were, fordert er mich zu sich. So bald er meine Brieff ersehen, befahl er gleich, man soll mich wohl accomodieren; da gschahe mir erst alles guets und der Prior liesse sich nit mehr vor mir blicken, und der mehr gemelte Frater von Lücell, Bernardus genannt, füehrte mich ins Noviziat, zeigte mir Alles, was etwas Denkwürdigs war. In dem Noviziathaus ist ein Capellelin, worin der H. Bernard ein ganz Jhar lang sein Noviziat ausgestanden, und nie gewust hatt, wie viel Fensterlin darin waren, deren doch nur drey seind; von aussen ob der Thür hangt ein artlich Sesselin, welches der H. Bernard ihme selbsten gemacht.

Am Fest Corporis Christi mueste ich auch in Chor gehen, und wurd mir ein neue Cuculle aus dem Vestiario gegeben; ich muest oben beym General stehn, die Blätter des Buechs umbzukehren. Nach dem verrichtem Gottsdienst mueste ich auch im Refectorio mit dem ganzen Convent in der Cuculle essen, worin auch der General zugegen gewesen.

Den anderen Tag morgens fuhr der General wider hinweg in sein Schloß; eh daß er aber in die Kutschen gesessen, begerte ich wider zu ihm; sobald ich zu ihm kommen, wolt er übereins, ich soll bey ihnen im Closter bleiben; aber ich entschuldigte mich stark und ich müest ins Niderlandt ins Closter St. Salvatoris; es sey mir von meinem Prälaten gebotten. Er aber antwortet darauff und sagt: er sei General und Meister über mein Prälaten, er kön mich zwingen. Da ich aber traurig dafür bat, erlaubte er mir recht hinzuziehen, und er saß in sein Kutschen. Ich aber kneyte nider, begerte die Benediction und ein Zeerpfenning. Er gab mir die Benediction und befahl seinem Secretario, mir 20 Solidos zu geben, möchte etwan 10 Bazen bei uns sein.

Nach dem er also fortgefahren, begerte ich gleich ein Früestücklin und wurd mir ein Supp, ein par Eyer und halb Maß Wein gegeben; da marschierte ich mit Freuden wider darvon; war fro, daß ich dem tyrannischen Prior nicht under sein Gwalt bin kommen.

Von Cisterz kam ich in die bischöffliche Statt Cabillon, und von dannen gen La Ferté oder Firmitas, welches das erst Closter nach Cisterz ist, und fand daselbsten meine zweh Confratres F. Edmund Schüz und F. Hugo Buchstetter. Blib ein par Tag bey ihnen, dann lenger mocht ich nit, weilen es schlimm bei ihnen hergieng: der Prälat war alt und selzsam, die Conventualen muesten schier Hunger leiden.

Von La Ferté zog ich auff Cluniac (Anm. Clugny), das berüembt Benedictiner Closter, allwo zu diser Zeit der Cardinal Richelien auch Prälat war. Dis Closter ist eins aus den ersten und fürnembsten Benediktinischen Clösteren; ist zu diser Zeit reformiert worden, also daß sie auch Abstinentiarii vom Flaischessen waren. Aber es ergaben sich nit alle Professen darzu, sunder bey zwanzig wolten sich nit darzu verstehen, bliben außerhalb im Stättlin wohnendt, im Convent aber waren bey 60 der Reformierten, hielten strenge Clausur, und hatte der Prior das ganze Directorium. Diser sezte stark an mich, daß ich bei ihnen bleyben und Profession bey ihnen thuen solle, dan er hab das Privilegium vom jezigen Papst, (war Urbanus Octavus), daß er auch die Cisterzienser auffnemmen dörffe, die zu ihme begerten, auch sogar wider den Willen ihrer Prälaten. Ich aber antwortete ihm bständig und sagte: mein Orden sey mir guet gnug, es sey nit billig, daß ich mein Closter und ersten Profession treülos seye.

Weilen ich gar spot in Cluniac ankommen, wurd ich im Closter nit mehr eingelassen, sunder muest im Wirthshaus im Stättlin einkeren, wurd aber den anderen Tag Alles vom Closter aus bezahlt. Vor diesem Stättlin hab ich mein Brevier in Abschürzung des Rocks fallen lassen, und also verloren; und als ich ererst umb ölff Uhr in der Nacht die Vesper beten wollte, (dan auff d´ Rays kondt ichs nit von wegen grosser Hiz), fand ich mein Brevier nit, und fiehl mir gleich ein, daß es mir vor der Statt in der Abschürzung des Rocks herausgefallen müesse sein. War darauff fast bestürzt und betrüebt, wolt auch nit mehr trincken. Der Geistlich und der Wirth hatten ein Mitleiden mit mir, also daß sie zu Rath wurden, sie wöllen mit einer Laternen zum Thor gehen, wöllen dem Portner ein Maß Wein versprechen, daß er mir das Thor auffmache; als es geschehen, ließen sie mich allein mit dem Licht hinaus gehen und das Brevier suechen, sie aber warteten meiner under dem Statt Thor. Ich gieng also ungefer zwehn Musqueten Schuß weit und fandts im Gras ligen auf einer Matten, kam auch mit Freüden wider zu ihnen, und kerten wider ins Wirthhaus. Wann ichs aber nit gfunden hette, dörffteten sie es mir vileicht nit wohl ausgelegt haben, dann sie hätten vileicht ein bösen Argwohn auff mich gefaßt, wie ich dann aus etlichen ihren Wörteren vermerkt hatte.

Von Cluniac zog ich gen Lyon, setzt mich zu Wasser auff dem Fluß Saône und kam in 50 Meilen glücklich dahin. Aber gleich wohl gieng es mir wegen der Nachtherberg gar schwerlich her; dann ich klopfte an underschidlichen Man und Frauen Clösteren an, wolt mich aber Niemand einlassen, und da ich allenthalben in der Statt herumb gieng, kam ich zu einem grossen Gebäu, wuest nit, was es were. Und als ich nit weit darvon in Gedancken stuende, kamb ein Mann zu mir und fragdte, warumb ich da stuend? Ich antwortete, ich könne kein Nachtherberg bekommen, man wöll mich nirgent einlassen, und ich hab kein Geld in ein Wirtshaus einzukehren. Er sagt darauff, ich soll dort gegenüber anklopfen, man wird mich gern einlassen, es sey ein Frauen Closter. Ich vermeinte, es were dem also, fieng an gehen, und der Man gieng ein anderen Weg. Da ich nun zunechst bey dem Haus war, und bald drei stainene Stapflen auffsteigen wolt, stuend mir ein unbekandter Man unversehens zugegen und sagt: ey Herr, wo wölt ihr hin – ihr geht da ins gmein Hurenhaus. Ich erschrack hefftig und sagte, es hat mich ein Man daher gewisen und gesagt, es were ein Frauen Closter. Es sagt hinwiderumb, der Schelm hatt Euch verfüehren wöllen. Gieng also wider hinweg und wust weder wo aus noch an, und der Man war auch gählings hinweg. Da gieng ich fort, und kam zum Fluß Rodano (Anm. Die Rhone) (dan zwehn fürnemme Flüß fliessen durch die Statt Lyon). Ich gieng dem Fluß nach hinab und fand kein Haus mehr als auf hohen Felsen (dann die Statt ligt überall zwischen Bergen und Felsen, bald seind Häuser in der Ebne, bald in der Höhe). Under disem Verlauff wurd es ganz spot, und wust nun nirgendt weiters mehr zu kommen; fing an traurig zu werden, und bekümmerte mich, dann ich fand kein ander Mittel mehr; sunder ich vermeinte nit mehr anderst, als ich müesse da in solcher grossen Haupt Statt under dem Hellen Himmel übernacht bleiben, deßentwegen mir auch das Wainen ankamb, dann ich kandte die französische Sprach noch nit, als nur wenig für die Nothurfft.

Da ich nun in solcher Betrüebnuß begriffen war, hörte ich gähling auff einem Berglin schreyen auf teütsch: Bursch zu der Wöhr. Ich gedachte, was das sein möchte; es waren gleich bei dem Ort, wo ich war, ein grosse Zahl stainene Stapflen. Ich stig hinauff und sahe gleich ein große Guard von Schweizer Trabanten da im Gwöhr stehn; ich war erfreüd, gieng unverzagt zum Hauptmann, und zeigte ihm an, wie es mir ergange; wie ich in der ganzen Statt keim Closter, kein Nachtherberg könne bekommen. Er hatte ein Mitleiden mit mir, und sagt, ich soll in das Jesuiter Seminarium gehen, es seyen etliche vertribene Jesuiter darin, sie werden mich schon übernacht behalten; ich soll nur sagen, der Schweizerhauptman hab mich dahin geschickt. Ich antwortete hingegen und sagte, wann er nit selbsten mit mir gange, oder etwar mit mir schicke, werd ich nichts ausrichten. Er antwortet und sagt: selbsten könne er nit mit mir, denn er müest dem Erzbischoffen da auffwarten, er sey in disem Closter (war ein Benedictiner Closter) und werd also bald wider heimbfahren (die Kutschen stund dorten, hinden und vornen überguld, und er war des Cardinals Richelien Brueder). Der Hauptmann aber gab mir ein Soldat von der Leib Guard zu, der mich zu den Jesuiteren füehren und befehlen muest. Der Soldat thät zwar sein Best, forderte ein teutschen Jesuiter zu mir und richtet den Befehl des Hauptmanns feyßig aus und gieng wider hinweg. Der Jesuiter aber sagte zu mir, er wollte mir von Herzen gern helffen; dieweilen er aber als selbsten ein Exulant da in der Gnad leben müest könne er nichts thuen, jedoch will er mir gschwind ein Trunck und Brodt hollen, und dann zu dem Pater Rector gehn und für mich anhalten. Gleich darauff bracht er mir ein halb Maß Wein und ein Mütschelin Brodt und ein Schüßelin von Grüeßen und gieng zum Rector mit meinen Brieffen. Er blieb wohl ein halb Stundt aus; also daß es schon dunckel Nacht wurde. Ich gedacht, die Sach werd mir nun nit fählen; man werd mich ja in der Nacht nit fortschicken. Aber das Widerspil geschahe, dann der Teutsch Jesuiter kam wider ganz zornig und unwillig und sagte, die schandlosen Franzosen seyen ganz unbarmherzige Leut; der P. Rector wöll mich keineswegs übernacht behalten, dann es sey wider ihren Orden, daß sie etwar Frembder sollen dörffen übernacht beherbergen; es seyen vil Wirtshäuser in der Statt, ich soll gleich in eins gehen. Da ward ich hefftig betrüebt, schickte ihn noch einmal hinauf und bath, er soll mich nur dise Nacht im Porten Stüblin auff dem Boden ligen lassen, dann ich hab kein Gelt in Wirthshäuseren zu zehren. Er kam gleich wider und sagt: Es sei ein Wirth nit weit von dannen zum guldinen Löwen genannt, der seye ein Teutscher. Er müest mich dahin füheren, der P. Rector will für mich bezahlen. Wurd also von ihm dahin gefüehrt; was gschicht aber? Wir kommen dahin, der Jesuiter recommandiert mich auf die Bezahlung des P. Rectors; der Wirt aber gibt ihm zur Antwort und sagt: ey freylich, ihr Jesuiter seyd gar richtige Bezahler; nit ein Trunck noch Bissen Brodt wolt ich disem Religiosen geben auff eüer Bezahlung. Namb mich gleichwohl freündtlich auff und ließ den Jesuiter wider fortgehn; füehrt mich in ein absönderliche Kammer, sagt ich soll mich ein Kleinweil gedulden, er wöll mich bald erquicken. Geht also hin und bringt mir in der Gschwinde ein stattliche Maß roten Wein und Brodt, und sagt, ich soll trincken bis das Nachtessen gebracht werde; auch soll ich ihm mein schwarz Gwand geben, es müeß gewäschen werden. Ich erschrack hefftig und sagte, o Herr Wirth, ihr dörfft mir nichts besonderes zu essen geben, sunder nur etwa ein Suppen und Par Eyer, dann ich hab kein Gelt zu bezahlen, wans die Jesuiter nit bezahlen, kön ichs einmal nit. Er antwortet darauff und sagt: er wöll schon bezahlt werden; ich soll nur dapfer essen und trinken. Er nemb die Jesuiter für keine Zahler an, es sey lauter Lufft, was sie versprechen. Er gieng wider hinweg und namb meine Kutt, Fazenetlin (Anm. Schnupftuch), Kräglin und ein Hembd mit. Etwan ein Stund hernach bracht der Stubenknecht das Nachtessen, nemblich ein zimbliche große Platten mit Fisch und Pommeranzenschniz überlegt, und dan auch etliche andere Sachen. Ich erschrack abermalen und wolt nit essen. Als der Wirth solches hörte, kam er und sprach mir zu, daß ich essen muest. Den anderen Tag wolt ich wider hinweg und begerte meine Sachen und die Irrten (Anm. Rechnung) zu machen; der Wirth aber gab mir zu Antwort und sagt: er laß mich noch nit hinweg, bis nach Sant Joannis Tag. Dann auff den selbigen Tag werd ein Freüdenfest gehalten, da wird ich Sachen sehen, dergleichen ich mein Lebtag niemalen gesehen hab noch sehen werde: dann ihr Erzbischoff heiß Joannes, er sey des Cardinals Richelien Bruerder; man wird ihm zu Ehren seines Tags ein Freüdenfeür halten. Muest also wider meinen Willen drey Tag lang bleiben, und wurd allzeit auffs Beste tractiert, also wann ichs hernach hette müessen bezahlen, es etlich Daler gekostet wurde haben, gleichwohl ließ er mich also an.

Einsmals aß er mit mir zu Mittag und füehrte allerhand Gespräch mit mir; under anderen sagte er auch, es geduncke ihn, der Bapst gebrauche nit gar großen Verstandt. Ich fragte warumb? Er antwortet und sagt, ist das nit ein große Thorheit; er schickt ein Jubiläum ins Franckreich, daß man fürs Teütschland betten soll, dieweilen es gar hefftig von den Schweden und Kezeren gedrenckt werde. Und unser König hatt ihn ins Teütschland berueffen, hilfft ihm auch mit Geld und Volck, und der Bapst selbsten schickt unserem König Gelt zu, welches er dem Schweden geben thuet. Ich, sagt er, bin zwar nit eüerer Religion, sunder bin meiner Calvinischen Religion halber aus Östereich vertriben worden. Ich hab mich hie gesezt und kenn nun die Franzosen wohl. Ich hett niemalen gemeint, daß die Catholische, sunderlich die Jesuiter, so unbarmherzig weren, wie sie dann jezundt an euch armen vertribene Herr gewesen seind.

Auf solche Reden war mir abermalen angst und bang, daß ich nemblich da bey einem Calvinischen Wirth solle logieren, und wust aber nit, was ich anfangen solte. Es kamb aber nunmehr das angestellte Fest oder Freüdenfeür herzu zu halten, und ward auff der stainenen Brucken auff dem Fluß Rodano auffgericht, wunderbarlich und höher als die höchste Gebäu schiessendt mit Raketlin über sich, und auff alle Ort und Seiten der Bruck. Zu oberst am Spitz gieng ein Feürkugel über sich, daß mans nit mehr in den Lüfften ersehen kondte; allenthalben auff den Bergen herumb (dan die Statt ligt theils auff den Bergen, theils an den Bergen) schoß man mit grösten Stucken; auff der Ebene waren bey 20 Tausent Musquetierer, die alle auch darzwischen schossen; es war ein solch Donner und Plizen mit Schießen und Feürwerk, daß man vermeinte, Himmel und Erden krachen zumalen zusammen. Alle Gassen, alle Berg, alle Fenster, alle Läden, ja alle Tächer sassen voller Menschen. Ich selbsten saß bey meim Wirth und seinem ganzen Hausgsünd auf einem hohen Wällenhauffen (welcher dem Wirth zughörte), nit weit vom Feürwerk. Ich habs selbst von fürnemmen Herren hören beteuren, daß über die viermal hundert Tausent Menschen disem Spectackel zugegen gewesen seyen; dann es seind von allen Orten und Enden vil Meilwegs weit Leuth dahin kommen, solches zu sehen. Dis geschahe Nachmittag, am S. Joannes des Täufers Fest, und werte bis lang in die Nacht.

Den anderen Tag hernach begerte ich endtlich hinweg; hieß mir zwar die Irrten machen, bekente aber frey heraus, daß ich nit zu bezahlen hette. Der Wirth ließ mir wider ein guet Früestuck geben und wolt mit der Irrten nit heraus, sunder als ich nun fort wolt, sagt er zu mir, ich soll noch ein Tag 14 oder lenger bei ihm verbleiben, dörff mich der Bezahlung halber gar nit bekimmern; er wolt sich schämen, mir ein einigen Pfenning abzunemmen, als einem armen Vertribnen. Ich bedanckte mich ganz demüetig, und ich wölls rüehmen, so lang ich leb, daß mir nemblich so grosse Liebe und Guethaten erwisen worden von einem, der auch so gar nit meiner Religion seye, dergleichen mir von keinem Geistlichen in der ganzen Statt Lyon geschehen seye.

Gieng also mit Freüden hinweg und zum Marsilier Thor hinaus. Da ich nun zimblich weit hinaus kommen, bedachte ich mich, wo ich dann auch jetzt hin wölle? Ob ich gegen Orient oder Mittag oder Occident wölle? Als ich in solchen Gedancken ganz perplex dastuend, sihe da stuend ein Mann neben mir in schwarzen Kleideren (woher oder wie er daher kommen, hab ich nit gesehen). Diser fragt mich, warumb ich also zweifelhaftig da stande? Ich antwortet und sag: ich sei ein armer Vertribner aus Teütschland und könne die französisch Sprach nit, und wisse jez weder aus noch an. Ich möchte wissen, wo ich hinkäm, wan ich gradewegs fortgieng, was ich für eine fürnemme Hauptstatt antreffen würde; oder wann ich auff die recht oder linck Hand schluege? Er antwortet: wann ich graden Weg wolle, sey es der Weg auf Marsilien (Anm. Marseille) am Meer gelegen; wöll ich auff die linck Seiten, komme ich auff Turin in Savoien; wende ich mich aber auff die recht Seiten, komme ich gen Paris. Ich fragte darauff, wie weit ein jedes von disen drey Orten von Lyon seye? Er antwortet, ein jedweders seye minder nit als hundert Meilen. Darauff erwöhlte ich Paris und begerte die fürnembste Örter, wordurch ich müeste. Er gab mirs an, und ich schribs in ein Schreibtäfelin. Erstlich Tarare (Anm. Tarare, Marktflecken von 7000 Einwohnern), da wer ein Posthaus; danach Roane (Anm. Roanne, Stadt mit 10.000 Einwohnern), da müesse ich auffs Wasser, la Loire genant, und kom bis gen Orleans; von dannen hab ich noch 32 Meil bis gen Paris.

Ich gieng darauff von ihme, und bedanckte mich demüetig, sehe aber ihn gählingen nit mehr, wiewolen ich auff dem weiten Feld ware, gedachte derowegen offt, es möchte vileicht mein Schutzengel gewesen sein.

Da ich nun fort raiste kam ich demselbigen Tag gen Tarare, kerte bey dem Schultheißen ein, der zumalen auch Wirth war. Diser empfieng mich zwar freündtlich dem eüßerlichen Schein nach, daß er aber innerlich ein falscher Schalck gewesen, dis ist aus dem Nachfolgendtem zu erkennen. Dann da ich in ein wohlausgerüst und gezierd Zimmer einlogiert gewesen und mir mehr zum Nachtessen auffgetragen worden als ich begert hatte, gedacht ich, er wurde mich etwan halber gastfrey wöllen halten, dann er sagte, wie ihm diser Cisterzienser Orden so wunderlieb were, dann es seye nit weit ein Closter, Klein Cisterz genant, worin ihme vil Guethaten geschehen. Da ich nun im besten Nachtessen war, kam er zu mir, ersahe mein Brevier, nambs und sezte sich darmit zu mir an Tisch gleich gegenüber; treibt er allerley Gspräch, die ich doch nit halber verstuend. Er hatte kein Wammes an, sunder ein offenen Busen; und da ich also fortaß auch kein Acht hatte, was er machte, sunder vermeinte, er beschaue nur meine Bilder im Brevier, deren ich vil schöne darin hatte, die ich nit umb ein Reichsthaler geben hette. Aber der namb eins nach dem anderen, und schiebts in sein Diebsbusen hinein, gieng auch also wieder von mir hinweg, dann ich beym Geringsten nichts vermerckt gehabt, bis ich ererst nach dem Nachtessen (war ungefer umb 10 Uhr in der Nacht) mein Vesper und Complet betten wolt. Ich war zwar mechtig darüber entrüstet, und wolt noch in der Nacht solchen Raub wider begeren, aber es war Niemand mehr zu sehen. Morgens früe stuendt ich auff, wollte die Irrten machen lassen, und zumalen meine Bilder begeren. Gieng im Haus herumb, that auch das Zimmer auff, worin er und sein Weib noch im Bett lagen. Ich reisplete mich gegen ihn, er aber that dergleichen als schlieff er hart. Ich war ganz zornig; gedacht bei mir selbsten, er hab sich selbsten schon genugsam für sein Irrten bezahl gemacht, ich wöll darvon gehen. That auch solches und kam aus dem Flecken schon ein zimblichen Weg in das weite Feld hinaus. Da ich nun vermeinte, schon entrunnen zu sein, sahe ich gähling einen starcken Strolchen mit einem großen Bengel mir nachlaufen. Da er zu mir kommen, sagte er ganz grimmig, ich soll ihm die Irrten geben, oder sein Herr wöll mich in die Gefengnuß werffen lassen. Ich antwort und sag: er hab sich schon doppelt bezahlt gemacht, indem er mir mehr als für ein Taler Bilder aus meim Buech hinweggenommen hab; er sagt hinwiderumb, wan ich ihm nit 16 Bazen für die Irrten geb, wöll er mich briglen wie ein Hund. Da ich nun sahe, daß ich mich nit erwehren kondt, gab ich ihm zweh Creützdicken, welche mir der Prälat von Firmitas zum Zeerpfenning gegeben hatte, ich aber sie nirgent ausgeben kondte, dieweilen sie mehr Bley als Silber waren. Darumb wolts auch diser Strolch nit. Ich aber sagte, ich kön ihm kein anders geben, ich hab kein anders. Da sagt er, er wölls zwar nemmen und heimbtragen, aber er wöll bald gnueg wider bey mir sein, wans sein Meister nit nemmen wöll, und wöll mich tractieren. Lieff also eylendts zurück; ich aber feyrte auch nit, mein Straß zu lauffen. Weilen ich aber ein schwehren Ranzen hatte, kondt ich nit weit komme, sunder dieweilen ich ein Gestrip von dicken Hecken angetroffen, verbarg ich mich bis gegen Mittag darein. Da ich nun gedachte sicher zu sein, tratt ich wider auf die Straß und eylte in grosser Hiz ein Berglin hinauff und lieff zwo Stund lang bis ich endtlich zu einem Wirthshaus kam; da war ich von wegen grosser Hiz und Müede ganz erkrancket un mueste mich starck erbrechen. Nachdem ich aber mich wider ein wenig erholt, machte ich mich wider weiteres fort, und kam zu der Statt Roana an dem Fluß Loire gelegen.

Da fand ich kein Bruck hinüber zu kommen, und den Fluß voller nackendten Männer, die sich badeten (es war an einem Feirtag Nachmittag); und an dem Fluß stuenden ein grosse Anzahl der Stattweiber und Jungfrauen, welche den nackendten Männeren zuschauten und ihre Kleide hüteten. Da ware grosse Leichtfertigkeiten zu sehen, dann je einer den anderen mit schandligsten Gebärden zu übertreffen sich beflüsse. Zwischen der Statt-mauren und dem Fluß waren auff Stüzen und Stangen vil hundert Ehlen leine Tuech auffgespannen, Schatten zu machen, und ward darunder Tanz gehalten, also daß auch die nackendte Männer und Jungegesellen sich darunder vermischten. Disem schandtlosen Wesen muest ich beynahe ein Stund lang zuschauen, eh daß ich mit dem Schiff hinüber geholt wurde. Da gedacht ich bey mir selbsten, ich glaub nit, daß in ganz Teütschlandt solche Abscheü-ligkeiten geschehen, wann dann Gott das Teütschlandt straffe umb ihre Sünde willen, sey es schier unmüglich, daß er Franckreich ungestrafft lasse.

Da ich endtlich nach langen Warten mit Gfahr durch die nackendte Männer hindurch gefüehrt ward und hinüber kommen, mueste ich auch durch den Tanz in die Statt gehen. Da gieng ich zu dem nechsten Closter, worin München waren, Minimi genant; dort begerte ich die Nachtherberg, dieweilen es schon Abent, ward mir aber abgeschlagen; desgleichen auch in anderen, und muest also in ein Wirtshaus, worin alle voll und doll waren.

Den anderen Tag sahe ich mich umb, wie ich weiters auff Orleans zu käme; da treff ich zu allem Glück am Wasser (der Loire) ein Companey weltlicher und geistlicher Herren an, welche alle gen Orleans zu Schiff wollten. Dise batt ich, daß sie mich auch zu sich ins Schiff ließen, welches sie auch gethan; dieweilen es aber noch hundert (?) Meil dahin war, hatten sie sich schon alle mit Proviant versehen, ich aber hatte gar nichts.

Es waren aber im Schiff drey fürnemme Engelländer, die von Rom kommen (ohne Zweifel heimblich Catholisch) und ein Niderländischer Doctor; item zweh Augustiner München, giengen ganz gekleidt wie die Capuziner, aber schwarz und ohne Schue und Strimpff, waren von Paris; die andere waren alle Franzosen. Wir hatte acht Tag lang zu fahren; die drey Engelländer allein erbarmbteten sich meiner, gaben mir zu essen und zu trincken, und zahlten auch zu Nacht in den Nachtherbergen für mich, dann wir allzeit aussteigen muesten.

Es hatt sich aber auch dises mit mir in diser Schiffart zugetragen: es begabe sich in wehrendten diser 8 Tagen, da wir also bey einander im Schiff saßen allerhandt Gespräch; die ein Partey redte von Italien, die ander von Niderlandt, die dritt von Engellandt, und ich vom Teütschlandt. Einsmals ward ich gefragt, wie es in Teütschlandt hergehe, und warumb ich also allein im Franckreich herumbziehe? Ich antwort und sagte: ich hab noch ein Gspanen bey mir gehabt, der seye von mir in Hispanien gezogen; ich hab ein Zeitlang zu Claravall in Champanien auffgehalten und hab nun widerumb heimb ins Teütschlandt wöllen, sey auch schon wider in Burgund gewesen. Da seye es mir mißrathen worden wider heimbzuziehen, dann der Krieg werd erst angehen. Da ward ich gefragt, von wem ich vertriben seye worden? Ich antwort vom König in Schweden, welcher alle Clöster und Kürchen ausraub und grausam mit den Geistlichen umbgange; und der König in Frankreich hab ihn ins Römisch Reich heraus gefordert, und helff ihm mit Gelt und Volck. Als solches die Franzosen im Schiff hörten, waren sie hefftig über mich erzürnt, sagten ich soll diser Wort eingedenck sein, sie müesten mir saur gnug werden. Ich erschrack und schwig; die 3 Engelländer suchten Gelegenheit, allein mit mir zu reden. Da sie es kondten, sagten sie, ich hab da übel geredt, dann es sey im ganzen Franckreich ein Mandat ausgangen, daß wer ein einigs Wort wider den König oder den Cardinal Richelien rede, der sölle gleich ohne Urtell und Recht auffgehenckt werden, er sey gleich geistlich oder weltlich, frembd oder inheimisch. Darumb soll ich mich gleich aus dem Staub machen, so bald ich zu Nacht aus dem Schiff gange, dann die Franzosen möchten mich sunst der Oberkeit dargeben. Ich folgte disem Rath; dann so bald das Schiff angelendet worden, und ein jeder dem Wirthshaus zugieng, namb ich mein Ranzen und gieng noch weiteres, dann es war noch nit Nacht. Die Engelländer sagten, sie wöllen schon für mich bezahlen, was der Schiffman etwan begeren wurde. Kam also noch in ein ander Dorff, und den anderen Tag auffm Land gen Orleans.

Auff diser Schiffart kamen wir in vil schöne Stätt, sunderlich Bourbon, des Königs Stambhaus, und Nevers und Charité, allwo auch ein schöne Benedictiner – Abbtey, worüber auch der Cardinal Richelien Commen-datarius Abbt ware; in disem Closter geschahe mir Guetes, dieweilen sie reformiert waren; ich war aber nur übernacht daselbsten.

Zu Orleans, welches ein große, schöne Statt ist als kaum eine in Franckreich so schön zu finden ist. Als ich in dise Statt kommen, fand und sahe ich kein einzige Kürchen, welche ihren Kürchthurm noch hatte. Ich fragte die Ursach dessen, und ward mir zur Antwort gegeben, daß es noch nit gar lang were, daß die Kezer, die Hugenotten genant, die Statt eingenommen und die Kürchthürm also herabgestürzt hetten.

Ich suchte auch in diser etwan in einem Closter einzukeren, gieng derohalben zu dem Dominicaner – Closter und klopfte an, und begerte die Herberg, ward mir aber gleich abgschlagen und zur Antwort gegeben, es sey ein Frauen – Closter meins Ordens nur ein Viertelstundt weit vor der Statt draußen. Ich gieng derohalben hinaus, wurd von dem Beichtvatter freündtlich empfangen. Diser war ein weltlicher Priester, dann die Closterfrauen unsers Ordens waren damalen den mehren Theil under den weltlichen Bischöffen. In disem Closter verblib ich fünff Tag, und gschahe mir vil Guets von den Closterfrauen, dann sie hatten ein grosse Freüd ab mir und fragten mich alles fleyssig aus, wie es nun mit unserem Orden, sunderlich mit den Closterfrauen und Clösteren im Teütschland ein Beschaffenheit habe, dann sie wusten schier nichts mehr vom Orden, dieweilen sie vom Orden nit mehr visitiert wurden. Sie wurden zwar Cisterzienserin genannt und hatten das Brevier, banden aber das Scapulier nit, und hatte auch vil andere Sazungen von ihren Bischöffen, welche wider den Orden waren. Der Beichtvatter war zwar ein frommer gelehrter Man, war aber im Lateinreden nit exerciert wie fast alle Priester und Geistliche in Franckreich, dieweilen sie vil mehr auff ihr Sprach halten als auff die Lateinische. Er und die Closterfrauen sagten, sie wolten mich gern ein lange Zeit behalten, wann ich nur Priester were; und sunderlich er hett mich gern ein halb Jhar lang bey sich behalten, um Übung der lateinischen Sprach willen.

Dieweilen ich dann ihnen mit dem Gottsdienst nit behilflich sein kondt, wolt ich auch nit lenger bleiben, sunder begerte weiteres auf Paris zu zu raisen. Die Abbtissin verehrte mir 5 Creützdicken, und entliesse mich ungern. Alle die fünff Tag, die ich mich bey ihnen auffgehalten, muest ich und ihr Beichtvatter zu ihnen in die Redstunden, und bliben offt 2 oder drey Stund Nachmittag bei ihnen. Der Beichtvatter muest mirs auff Latein sagen, was sie mich fragen wolten, dann ich that nit dergleichen, daß ich etwas Französisch verstuend oder reden köndt. Das erste Mal, da ich vom Beichtvatter zu ihnen gefüehrt worden, kam die Abbtissin selber zu dem Redgitter (welches so weite Löcher hatte, daß man schier ein Hand dardurch stoßen kondt) mit schwarzem Flor die Angesichter bedeckt. Sie sagt zum Beichtvatter, was er mich auff Lateinisch fragen sollt; als er solches that, sagte ich zu ihm, er soll zu ihnen sagen, wann sie ihre Angesichter nit auffdeckten, damit ich sehen könne, ob sie auch so hübsch oder schön seien als die Closterfrauen im Teütschlandt, geb ich ihnen kein Antwort, was sie mich fragen werden. Da ers ihnen anzeigte, entdeckte sich die Abbtissin alsobald, und kamen darnach nimmer bedeckt zu mir. Einsmals aber redte die Abbtissin etwas auff Französisch mit ihrem Beichtvatter über mich, welches ich wohl verstuendt und das Lächeln bei mir selbsten nit verhalten kondt, welches eine aus den beywesendten Closterfrauen ersehen, undt gleich zu der Abbtissin gesagt: o Frau Muetter, er hatt dises wohl verstanden; er hatt drüber glächlet, was ihr von ihme geredt habet; worauff sie mich dermassen angestrengt haben, daß ich mit ihnen hab müessen reden und ihnen französisch hab müessen begegnen mit Antworten, so vil mir müglich war, worüber sie dan ihr gröstes Wohlgefallen und Recreation gehabt, indeme ich die französische Wörter noch zimblich läppisch ausgesprochen als ein neuer Anfängling.

Also bin ich von dannen auff Paris zu marschiert, und hatte noch 32 welscher Meil (die man auff Latein leuca, auff Französisch lieu nent) zu verrichten, welches dann in zwehn Tagen geschehen.

Das ist auch hie nit zu verschweigen, daß die ganz Landstraß von Orleans bis gen Paris mit Wackenstainen besezt ist, so breit, daß zwehn oder drey Wägen neben einander füglich fahren können, den man le chemin royal, die königliche Landstraß heist.