Itinerarium
oder
Raisbüchlin des P. Conrad Burger
Conventual des Cisterzienser – Klosters Thennenbach und Beichtiger
im Frauencloster Wunnenthal vom J. 1641 bis 1678.
Herausgegeben
von
Dr. J. Alzog
Einleitung
Das Manuscript des hier zum ersten Mal gedruckten Itinerarium befindet sich im Cisterzienserkloster der Mehrerau bei Bregenz am Bodensee, und ward in neuester Zeit von dem dortigen P. Dominicus Willi, welcher für die Geschichte des Cisterzienserordens und seiner Klöster ein lebhaftes Interesse zeigt, wieder an’s Licht gezogen. Durch ihn wurden mehrere Gelehrte, welche das in vieler Hinsicht so anziehende Kloster besuchten und darin geistige Erfrischung fanden, auf den interessanten Inhalt des vergilbten Schriftstückes aufmerksam gemacht. Einer derselben, Herr Dr. Jocham, Professor der Moraltheologie am Lyceum zu Freising, hatte die Güte, mir davon Kenntnis zu geben, und drückte zugleich den Wunsch aus, daß das originelle Itinerarium eines Freiburgers im Freiburger Diöcesan – Archiv gedruckt werde.
Nachdem der hochw. P. Willi mit dankenswerther Bereitwilligkeit mir davon zuerst eine Bearbeitung in neuhochdeutscher und dann in der Originalsprache in getreuer Abschrift mit zur Verfügung gestellt, beschloß das Comité für die Herausgabe des Diöcesan – Archivs die Veröffentlichung in letzter Form, und hofft damit den Lesern unseres Organs einen interessanten und lehrreichen Stoff zu bieten.
Zur vorläufiger Orientierung schicke ich Einiges über des Verfassers Lebensumstände, seine anderweitigen schriftstellerischen Arbeiten und ihren Werth, wie über die bei der Edition beobachtete Methode voraus.
Conrad Burger wurde zu Freiburg im Breisgau 1613 geboren und kam in Folge des Wanderlebens seines Vaters schon in früher Jugend nach dem Sundgau und Elsaß, im Alter von 7½ Jharen sogar von seinen Eltern fort nach Schwaben zu einem Onkel. Da dieser ihn gar streng („rau“) behandelte, entfloh er ihm listiger Weise und trieb sich geraume Zeit in Thüringen, der Pfalz und Württemberg herum, bis er Verwandte in Freiburg aufsuchte. Obschon er diesen versprach, zu seinem Onkel nach Württemberg zurückzukehren, so benützte er vielmehr das zu dieser Reise erhaltenen Geld dazu, das von Tilly geführte siegreiche kaiserliche Kriegsheer in der Markgrafschaft Durlach aufzusuchen, und ward in Gerau von einem Oberstwachmeister in dem Regimente Schmid als „Junge“ angenommen. Als er mit dieser Soldatenschaar in vielen Ländern von 1623 – 26 umhergezogen und schier von Bauern erschlagen worden, kehrte er über Cöln den Rhein hinauf in die Pfalz und wieder in’s Schwabenland zurück, wo er bei einem geistlichen Onkel seine Mutter und Geschwister wiederfand, während der Vater allein noch im Elsaß geblieben war. Jetzt erst ward er vom ABC an unterrichtet durch einen Weltpriester in Schwaben, und dann von den Jesuiten zu Ensisheim im Elsaß auf Geheiß seines Vaters. Als er mit diesem in die Markgrafschaft Durlach kam, entzog er sich ihm abermals heimlich und suchte und erhielt Aufnahme in dem Cisterzienserkloster Porta Coeli zu Thennenbach im jetzigen badischen Oberamte Emmendingen.
1) Mit diesem Momente beginnt P. Burgers Reisebüchlein: „Von meinem Eingang in’s Kloster Thennenbach“, und schildert seine Schicksale und Abenteuer in der schweren, bedrängten Zeit des 30jährigen Krieges und der darauf folgenden traurigen Lage des kirchlichen – klösterlichen Lebens bis 1678, während seine weitere Arbeit durch eine andere Hand noch bis zu seinem Tode am 18. Januar 1680 fortgesetzt ward.
2) Erwähnte Schrift ist die Chronik des Frauenklosters Wonnenthal („Dieses Cisterzienserkloster ward im 13. Jahrh. Von den Herren v. Usenberg gestiftet, und liegt nahe der jetzigen bad. Amtsstadt Kenzingen, also nicht weit von Thennenbach.“), wo Pater Burger 39 Jahre Beichtiger war, und welche also beginnt: „Der hochwürdigen Frauen Maria Ursula, Aebtissin dieses wohllöblichen Gotteshauses, verehrt diese seine geringe Arbeit, welche in Erforschung in den noch beiwesenden brieflichen Documenten angewendet worden, ihr getreuer, wiewohl unwürdiger geistlicher Vatter und nun bereits in das 19te Jahr gewesener Seelsorger P. F. Johann Conrad Burger, Conventual zu Thennenbach, zu einer ewigen Gedächtniß. So geschehen a. 1659 pro novo anno.“
Der Fortsetzer dieser Chronik machte über denselben folgenden Bericht: „Nunmehro zu dem Lebensend unsers R. P. Conrad Burger mich wendend, erinnere ich Alle und Jede, daß diser bei 39 Jahr allhier Beichtvatter gewesen, wohlverdient um dis Gotteshaus wegen vilen Bücherschreiben, Mühe, Sorgen und gefährlichen Zeiten, daß sowohl die aunoch Lebenden, als die Nachkommenden seiner im hl. Gebet gedenken werden. Anno 1669 ist Pater Conrad in den Thennenbachischen Hof nacher Freiburg als Statthalter ein Jahr lang transferirt worden, hernach wiederumb anhero kommen und am 11ten August 1679 erkrankt, und nach 5 Monaten, nämlich am 18ten Januar 1680 gottselig verschieden. Er liegt begraben neben seinem Bruder, dem gewesen Vogt in Oberhausen, so im Rhein ertrunken.“
Diese Chronik ist auf 25 engbeschriebenen Folioblättern, befindet sich gegenwärtig im Großherzoglich Bad. Landesarchiv in Carlsruhe, und darf in mehrfacher Beziehung als eine Ergänzung des Itinerarium angesehen werden.
3) Eine weitere Ergänzung des Itinerarium ist folgende ebenfalls handschriftlich erhaltene Arbeit P. Burgers, welche sich im Besitze des P. Dominicus Willi im Kloster Mehrau befindet:
Series XXXII D.D. Abbatum, qui monasterio Portae Coeli vulgo Thennenbach S. O. Cisterciensis ab a. Christi 1158 usque ad annum 16… praefuêre. Additis quibusdam seitu et, notatu dignis, Collectore Reveren-dissimo Dňo D. Adamo Egeter, Abbate hujus etiam Monasterii trigesimo; in hune ordinem redacta sub Rmo Dňo Dňo Hugone Abbate trigesimo secundo a. 1657 a F. P. J. Conrado Burger ejusdem monasterii Conventuali.
Dieses Werk von 140 schön geschriebenen Blättern in klein Quart annotirt zugleich bei jedem Abte die wichtigsten Daten der Klostergeschichte, insbesondere der neu eingetretenen Ordensmitglieder. Bei Abt Conrad Stolz gedenkt Burger seiner eigenen Heldentaten: „wie er in „origener persohn“ die Loskaufsumme nacher Basel getragen und „sich allein im Breisgauw wiederumb seines Klosters Thennenbach impostronirt“, und wie er die documenta zu Breysach mit großer Mühe und Listigkeit in seine Gewalt gebracht.“ Er habe dies erzählt, „damit die Nachkömmling auch etwas weniges Nachricht finden, wie es in dem langwürigen schweren und grausamen schwedisch und französischen Krieg umb das Gottshaus Thennenbach beschaffen gewesen.“
4) Auch enthält das Thennenbacher Kloster – DIARIUM, I Bd. vom J. 1598 bis 1658 140 Blätter in Folio, aufbewahrt im Großherzogl. Bad. Landesarchiv, auf Folio 73 bis 87 Einträge von P. Conrad Burger mit dem Eingang: „Folgt nun, was sich in mein Fratis Conradi Burgern Frib. in dem Gotteshaus Thennenbach wehrenden Bursariats Ambts zugetragen, von dem Mittels Monats Junii 1647.“
Diese Einträge berichten über den trostlosen Zustand im Kloster Thennenbach, den Mangel an dem Nothdürftigsten, so daß er die Oekonomie mit einem Jungen und einer Magt beginnen mußte. Doch habe er die Lebensmittel alsbald vermehrt, das Gebäude und den Garten des Klosters ausgebessert und gesäubert, worauf der Gottesdienst in der Klosterkirche am St. Bernhardstage (20. August) 1647 wieder abgehalten werden konnte. Unter verschiedenen Streitigkeiten mit den „giftigen Markgräfischen“ der Nachbarschaft sei die neue Bewirtschaftung der Klostergüter, die Einbringung der Zinsen und Gilten ec. wieder geordnet worden.
5) Neben diesen handschriftlich erhaltenen Arbeiten können wir auch eine Druckschrift Burgers vom J. 1677 namhaft machen unter folgendem Titel: „Wunderbaum oder Wunderbarliches Leben und Wandel deß Honigfließenden Kirchen – Lehrers und heiligen Vatters Bernardi, Patriarchen, und Mitstifters des weit berühmten H. Cisterzienser Ordens. Auß Latein in die Teutsche Sprache überbracht durch R. P. Joannem Conradum Burger, Priester und Professen Unser L. Frawen zu Thennenbach, selbig heiligen und Exempten Ordens. – Von der Congregation deß Oberen Teutschlands. – Cum Licentia Superiorum. – Getruckt zu Freyburg im Breißgauw bei Johann Jacob Wehrlin. Anno M. DC. LXXVII.”
Schon die vorstehenden Mittheilungen dürften genügen, um für den von Jugend an originellen Autor Interesse zu gewinnen, das sich bei der Lectüre des Itinerarium oft zur Bewunderung steigern wird. Der schlichte Pater erscheint überall als muthig, gescheidt, lebensgewandt, in den größten Gefahren ausdauernd und entschlossen, dabei durchaus als redlicher Charakter und ganzer Ordensmann. Die Art und Weise, wie er nach der Rückkehr aus dem Exil die im schwedisch – französischen Kriege bereits aufgehobenen Klöster Thennenbach und Wonnenthal durch den Gouverneur Oisonville in Breisach „mit stattlichen königlichen Briefen“ nochmals ausgeliefert erhielt und seinem vertrieben Abte wieder übergeben konnte, spricht dafür, daß sein Geist und seine Energie eines viel höheren und bedeutenderen Wirkungskreises würdig gewesen. Die Mittheilung, welche er über die verschiedenen Cisterzienserklöster im jetzigen Baden, der Schweiz, Frankreich, Oesterreich aus eigener Anschauung oft fast zu rücksichtslos macht, sind meist lehrreich und interessant.
Das Naive und Naturwüchsige in seiner Erzählung erinnert vielfach an seinen Landsmann und Zeitgenossen Grimmelshausen von Renchen in dem „Simplicissimus“ wenn er diesem auch in Beziehung auf umfassenden Kenntnisse, Reichthum und Schönheit der Form nicht gleich zu stellen ist. Diese annähernde Verwandtschaft würde wohl noch bestimmter hervortreten, wenn die am Schlusse des Itinerarium von Burger angedeutete Schrift „Die vorhergegangenen Jhar meiner Wanderschaft von Jugend uff, haben ein besonder Buech, da ich nemblich noch im weltlichen Stand gewesen“, welche sein Leben im 30jährigen Kriege schilderte, noch aufgefunden werden könnte.
Was endlich die Methode betrifft, nach welcher wir das Itinerarium edirten, so konnten wir uns nicht entschließen, die Sprache den Originals so weit zu modernisieren, als dies mit den Simplicianischen Schriften Grimmelshausens in den Ausgaben von Adelbert Keller (Stuttg. 1854 ff.) und von Heinrich Kurz (Leipz. 1863 ff.) geschehen ist, da die Diction bis auf wenige Ausdrücke, die wir erklärten, auch jetzt verständlich ist. Wir ließen die Sprache in dem eigenthümlichen Reize des Breisgauer Dialekts meist unverändert. Nur in der Orthographie und der Interpunktion, welche ohnehin im Manuscripte nicht gleich bleibt, vielmehr oft unmittelbar nach einander abweicht, erlauben wir uns Aenderungen, theils um Einheit in der Schreibweise zu erziehlen, theils um das Verständnis bei der Lectüre zu erleichtern. Doch nahmen wir dabei Rücksicht auf die Druckschrift des P. Burger, die Lebensbeschreibung des hl. Bernhard vom J. 1677, also noch zu des Verfassers Lebenszeit. Nach diesem Vorgang ließen wir unbedenklich die vielen Buchstaben h und w oder e des Manuscriptes im Drucke weg, z.B. in den Worten Schickhung, khönnen, khommen – Bauwren, Frauw, Freuwden – zue, und schrieben Schickung, können kommen – Bauren, Frau, Freuden – zu ec. Ebenso beseitigten wir das im Drucke sehr unschön in die Augen fallende lange s (f ohne Strich) am Ende der Worte und substituirten dafür das kurze s. Auch wählten wir für sämtliche Substantive einen großen Anfangsbuchstaben, wie dies auch schon in der Druckschrift Burgers geschehen ist. Endlich haben wir die oft sehr curiosen Satzbildungen zu leichterem Verständniß besser geordnet.